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■ Frankreich schränkt sein Staatsangehörigkeitsrecht einAnpassung ans deutsche Modell

Zwischen Deutschland und Frankreich gab es eine Konvergenz: Die einstigen Erbfeinde wurden sich sozial und kulturell immer ähnlicher, die bilaterale und supranationale Bindung harmonisierte auch die Politiken. Dieser Mechanismus ist jetzt wieder in Gang gesetzt worden: Während in Deutschland das sture Abstammungsprinzip im Staatsangehörigkeitsrecht immer poröser wird, verabschiedet sich Frankreich von wesentlichen Elementen des Territorialprinzips. So zeichnen sich die Linien eines europäischen Einwanderungsrechtes ab.

Aber nicht die Großzügigkeit weltoffener Republiken, sondern die Engstirnigkeit eines angeblich identitätsbedrohten Kontinents bekommen die Kinder und Enkel der Einwanderer aus der Türkei und Jugoslawien, aus dem Maghreb und Afrika zu spüren. Die „Harmonisierung“ erfolgt, wie im Fall des Asyl- und Flüchtlingsrechts, auf kleinstem gemeinsamen Nenner.

Auch auf diesem Gebiet endet die Ära Mitterrand also mit der Anpassung ans deutsche Modell. Die gemäßigte Rechte geht vor Le Pen in die Knie und besorgt sich mit ihrer quasi-diktatorischen Mehrheit eine billige Revanche für die letzte Phase der Kohabitation. Gleichwohl ist die Reform nicht so radikal, daß ein völliges Umschwenken auf die gallo-romanisch- katholische Kultur der Jeanne d'Arc zu befürchten wäre. Daß fast ein Drittel der Franzosen nicht „dieses Blutes“, sondern Kinder von Einwanderern sind, vergißt sich doch nicht ganz so leicht.

Die Deutschen haben wenig Anlaß, über diese zu erwartende Wende schockiert zu sein. Das bei uns praktizierte Ius sanguinis ist noch restriktiver, und es prägt die politische Kultur von unten nach oben und zurück. Die Bremser werden jetzt auf „sogar die Franzosen“ hinweisen, um die Reform der Einbürgerungsverfahren weiter zu verhindern, und die Reformer haben ein Leitbild weniger. Weniger vernünftig ist ihr Vorhaben – die Umstellung vom Abstammungs- auf das Territorialprinzip und die Veränderung des Artikel 116 – dadurch nicht geworden. Claus Leggewie

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