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Frankfurt verzichtet auf AIDS–Haus

■ Statt dessen sollen fünf drogensüchtige und HIV–positive Prostituierte zwangsweise in ein Krankenhaus eingeliefert werden / OB Brück: „Wir können die Hände nicht in den Schoß legen.“

Aus Frankfurt Reinhard Mohr

Der Frankfurter Oberbürgermeister Wolfram Brück (CDU) und Gesundheitsdezernent Rhein kündigten am vergangenen Freitag an, daß fünf drogenabhängige Prostituierte, die mit dem AIDS– Virus infiziert sind, demnächst zwangsweise zur Therapie eingeliefert würden, weil sie sich angeblich weigerten, Kondome zu benutzen und die von der Stadt erlassenen Berufsverbote mißachtet hätten. Während noch zwei Tage zuvor von einem geschlossen Haus der Stadt im Taunus die Rede war, in das zwölf „uneinsichtigte Prostituierte“ zwangsweise verbracht werden sollten, wurde nun betont, daß man nicht die Absicht habe, „aidsinfizierte, drogensüchtige Prostituierte auf Dauer abzusondern“. Sieben der zwölf Betroffenen haben unterdessen erklärt, sie würden fortan Kondome benutzen oder ihren Beruf völlig aufgeben. Ihnen scheint die Stadt nun zu glauben. Der Mitarbeiter der AIDS– Hilfe Frankfurt Hans–Peter Haunschildt kritisierte die Stadt Frankfurt, weil sie den Prostituierten nicht die notwendigen Hilfen angeboten habe. „Ich kann der Stadt versprechen: Wenn die Betroffenen auch nur eine Mark mehr bekommen, als sie brauchen, schmeißen sie ihren Scheißjob.“ Sein Vorschlag: freizügige Substitionsmöglichkeiten für die Drogenabhängigen - Stichwort Methadon - über Gesundheitsamt und freie Arztpraxen, die auch für die jeweils verschiedenen Dosierungen und Kontrollen zuständig wären. Jede zwangsweise eingeleitete Drogenthearpie, wie jetzt in Frankfurt angekündigt, sei aller Erfahrung nach wenig aussichtsreich. Die von Oberbürgermeister Brück geplante Zwangseinweisung der fünf in ein Krankenhaus komme letztlich einer Internierung gleich, die „schlimmer als Knast“ sein könne: „Da gibt es wenigstens einen Haftprüfungstermin, während in einem psychiatri schen Landeskrankenhaus irgendein Arzt über den Verbleib in der geschlossenen Anstalt entscheidet.“ Die Frankfurter Maßnahmen - Brück: „Wir müssen handeln, wir können die Hände nicht in den Schoß legen, sonst würden wir uns schuldig machen“ - seien „Schau– und Scheingefechte“, die die Freier in scheinbarer Sicherheit wiegen und die Verbreitung des AIDS–Virus nur noch beschleunigen würden. Die absurde Trennung zwischen den fünf „uneinsichtigen“ und den sieben „vernünftigen“ Prostituierten dokumentiere die Unmöglichkeit, dem AIDS–Virus durch administrative Härte wirksam zu begegnen: Wie will die Stadt kontrollieren, ob eine Prostituierte ihr Versprechen, Kondome zu benutzen, auch einhält, die „ohne“ ein Vielfaches verdienen kann? K O M M E N T A R E

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