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■ QuerpalteFragen übers Denken

Mit „neuartigen Methoden“ wollen dänische Neurologen ermittelt haben, wie schnell sich „menschliche Gedanken“ im Gehirn bewegen. Beim Internationalen Neurologenkongreß in Washington erklärten sie, ein Gedanke bewege sich mit einer Geschwindigkeit von sechs Zentimetern pro Sekunde. Das sind 215 Meter pro Stunde, 5.184 Meter pro Tag, 1.892.160 Meter pro Jahr oder 132.451 Kilometer im Leben eines Siebzigjährigen.

Die Zahlen seien durch eine Kombination verschiedener Messungen zustandegekommen, so der Neurologe Peter Johannsen, dem es auch gelang, die Entstehung von Gedanken in bestimmten Hirnwindungen genau zu lokalisieren.

Dabei bleiben viele Fragen offen: Bewegen sich Gedanken unabhängig von ihrem Gehalt, deren äußerer Umgebung und dem Kopf, der sie denkt, gleich schnell? Von wo nach wo muß sich ein Gedanke bewegen? Variiert die Strecke, je nach physischer Größe des Kopfes? Wieso bleibt der Gedanke nicht da, wo er ist? Wird der Geistesblitz erst zum Gedanken im Verlauf der Entfernung, die er zurücklegt, oder ist er schon Gedanke, wenn er seine Reise beginnt? Lassen sich einzelne Gedanken überhaupt isolieren und trennen von den begleitenden Empfindungen? Bewegen sich geträumte Gedanken genauso schnell wie wache? Gibt es Autobahnen, Landstraßen oder Feldwege des Denkens? Gibt es Staus, wenn zu viele Gedanken gleichzeitig in die Winterferien fahren?

Findet das Denken überhaupt im Kopf statt, oder ist es nicht vielmehr „eine Tätigkeit der schreibenden Hand“ (Wittgenstein)? Vor allem: Was sind überhaupt Gedanken? „Unanschauliche Inhalte des Denkens, die nicht auf andere Erlebnisse zurückgeführt werden können“ und daher „elementare Erlebniseinheiten“ darstellen (Philosophisches Wörterbuch), Sätze wie: „Der Leser liest Zeitung“ oder Textgetüme, die erklären wollen, daß zum Beispiel die oben zitierte dpa-Meldung, wenn man mal so nachdenkt, eigentlich bar jeden Gedankens ist? Fragen über Fragen. Detlef Kuhlbrodt

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