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Fragen der Zeit Wie sprechen wir über unsere Angst?

Janne Köder ist 17 Jahre alt und macht im Jahr 2026 Abitur. Mit Blick auf Klimakrise, Krieg und Rechtspopulismus fragt sie sich: Was haben wir für eine Zukunft?

Wie man über Angst redet, das sagt einem niemand Foto: Elsa Tonkinwise/Unsplash

taz FUTURZWEI | Wir reden schon gar nicht mehr über die Klimakrise, über Krieg, Nazis oder den nächsten Waldbrandsommer, weil man gar nicht weiß, wohin mit dem Frust und dann halt lieber mit einem falschen Lachen schnell das Thema wechselt. Dabei müssten doch gerade wir aufschreien, wir vom Jahrgang 2008, die 2026 ihre Schulzeit abschließen und dann vor der großen Was-jetzt-Frage stehen, wenn es um unsere Zukunft geht. Die Zukunft auf die wir 12 Jahre lang hingearbeitet haben und die jetzt für uns – als erster betroffener Jahrgang einer möglichen Wehrpflicht – ein noch größeres Fragezeichen bedeutet, als ohnehin schon durch die zahlreichen Krisen.

Wir sind von diesen Krisen am längsten und meisten betroffen, haben aber kein Mitspracherecht bei der Frage des Umgangs mit ihnen. Das ist nicht nur frustrierend, sondern lässt einen auch ziemlich machtlos fühlen. Wenn uns die Politik schon nicht zuhört, könnte man doch erwarten, dass wir zumindest untereinander das Bedürfnis haben müssten, uns auszutauschen. In meinem Umfeld, und zugegeben auch bei mir selbst, erlebe ich zunehmend das Gegenteil. Wir reden pseudolocker darüber, was wir nach dem Abi alles machen wollen und umkreisen dabei den Elefanten im Raum, dass nämlich niemand weiß, was nächstes Jahr eigentlich ist.

„Now“ ist schon lange gewesen

Darüber zu reden, würde bedeuten, sich mit dem eigenen Frust, der Wut, Trauer oder dem Schmerz beschäftigen zu müssen und das vermeidet man offenbar lieber. Gerade wenn es dabei nicht nur um eine versaute Klausur, sondern um unser Leben geht, kann das ziemlich viel Energie kosten und auch ganz schön überfordernd sein. Und wenn man doch mal redet, dann wird man mit Dingen konfrontiert, die man am liebsten überhören würde, weil sie einen noch mehr runterziehen. Wenn beispielsweise in der Schule­ das zigste Hakenkreuz von einem Tisch, Stuhl, White Board oder sonst wo entfernt werden musste. Ich glaube, das macht vielen von uns besonders Angst, aber irgendwie weiß trotzdem niemand so richtig, wie man über diese­ Angst spricht.

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Oder wir diskutieren im Englischunterricht über die Klimakrise und sind uns einig: We need to act now. Ich kommentiere aber nicht, dass der Artikel, auf den wir uns beziehen, so alt ist wie ich – und „now“ längst hätte sein müssen. Das frustriert mich so sehr, dass ich den Gedanken lieber wieder wegschiebe. Ich merke, dass ich oft dankbar über einen Themenwechsel bin, weil ich weder weiß, wohin mit meiner Angst, noch wie ich darüber mit meiner besten Freundin sprechen sollte.

Das erklärt einem ja niemand.

Blind vertrauen, dass alles schon gut wird?

Aber, dass wir einfach nicht mehr darüber reden, hilft leider auch nicht gegen die Angst. Im Gegenteil, das Schweigen macht alles nur noch schlimmer, merke ich, denn dann sind wir nicht mehr nur als Generation allein gelassen mit unseren Krisengefühlen, sondern ich bin komplett allein. Und die anderen sind es jede für sich auch. Klar, kann man die Ängste und Fragezeichen auch erstmal wegschieben und jeder Situation aus dem Weg gehen, in der man wieder mit ihnen konfrontiert werden könnte. Aber auch das kostet schon ziemlich viel Kraft und hilft auch nicht dabei, unsere Zukunft zu retten.

In meiner Abilektüre geht es um Vertrauen, blindes Vertrauen oder begründetes Vertrauen. Blind vertrauen, dass alles schon gut wird, kann ich nicht mehr, aber Begründungen, um dieses Vertrauen zu haben, sind auch nicht einfach zu finden. Ich will hier nicht rumjammern, aber gerade wenn man noch nicht richtig in sich selbst zuhause ist, fühlt sich die Gegenwart erst recht wie eine tägliche Schrumpfung von Sicherheit, Heimat und Zukunft an.

🐾 Lesen Sie weiter: Dieser Text erschien zuerst in der Ausgabe N°35 unseres Magazins taz FUTURZWEI mit dem Titelthema „Das Wohnzimmer der Gesellschaft“ – erhältlich im taz Shop.