: Fräulein, seien Sie ein Mann
■ Im Kino: Zum Vergleich mit Blake Edwards Film nun Schünzels „Viktor und Viktoria“ von 1933 – das Original
Remakes sind in der Regel schlechter als die Originale. Das ist eine Grundregel des Kinos, bei der man lange nach Gegenbeispielen suchen muß. „Victor und Victoria“ von Blake Edwards gehört zu diesen Wundern, denn die heutige Version hat eindeutig mehr Lacher als Schünzels Original von 1933. Aber dies mag daran liegen, daß man die Zweideutigkeiten von damals nicht mehr so gewagt findet und das Genre des Singspiels heute eher befremdlich als amüsant wirkt. Viele Dialoge in Schünzels Film wurden zu „beschwingten Melodien“ gesungen und mußten sich deshalb auf Deibel komm raus reimen.
„Viktor und Viktoria“ ist also keine von den Komödien, die gut gealtert sind (wie etwa die Filme seines Kollegen Lubitsch), aber wenn man genau hinsieht, erkennt man die freche Eleganz, mit der Schünzel damals so immensen Erfolg hatte und die Edwards nur ein wenig auffrischen mußte, um daraus einen seiner besten Filme zu machen.
Die junge Renate Müller spielte, anders als Julie Andrews bei Edwards, die Hosenrolle sehr erotisch. Sie gab mit ihren weiblichen Formen unter Frackhemd und elegantem Anzug mächtig an und hatte bei ihren flirtenden Blicken auf Frauen und Männer eindeutig Marlene Dietrich in dem drei Jahre eher gedrehten Film „Marokko“ als Vorbild.
Die Geschichte von der Frau, die vorgibt, ein Mann zu sein, der auf der Bühne eine Frau spielt, ist von Schünzel mit einer charmanten Schnodderigkeit inszeniert worden, die man in einem deutschen Film von 1933 nie erwartet hätte. In der gefilmten Biographie Schünzels „Beim nächsten Kuß knall' ich ihn nieder“ von Hans-Christoph Blumenberg, die noch bis Mittwoch im Atlantis zu sehen ist, wird gezeigt, wie schwierig es für den als Halbjude eingestuften Schünzel war, unter den Nationalsozialisten solche Filme zu drehen. Der von ihm für die Hauptrolle vorgesehene Max Hansen wurde etwa als jüdischer Schauspieler vom UFA-Vorstand abgelehnt, und die Weltläufigkeit von Schünzel, der den größten Teil des Films in London spielen ließ (und zwar mit Nebendarstellern, die tatsächlich Englisch sprechen können), muß viele Faschisten empört haben.
Wilfried Hippen
Kino 46 heute um 20.30 Uhr
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