heute in Bremen
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„Fotos in den Alben vom Opa“

Diskussion Vor 20 Jahren hat Hannes Heer die umstrittene Wehrmachtsausstellung konzipiert

Hannes Heer

Foto: dpa

74, ist Historiker und Publizist und arbeitet derzeit an einem Ausstellungsprojekt zur Vertreibung der Juden aus der Oper 1933 bis 1945.

taz: Herr Heer, warum muss man an die Wehrmachtsausstellung erinnern?

Hannes Heer: Der 70. Jahrestag des Kriegsendes steht bevor. Da kann man doch fragen, wie die Deutschen mit zwei deutschen Genoziden im 20. Jahrhundert umgehen: Dem an den Juden und den an den slawischen Völkern.

Hat die Ausstellung das deutsche Geschichtsbewusstsein verändert?

Ja. Die Legende von der sauberen Wehrmacht ist zusammengebrochen.

Nur Helmut Schmidt hat bis zuletzt gesagt, er wolle sich diese Ausstellung nicht antun.

Ich habe mit sehr vielen ehemaligen Soldaten gesprochen. Schmidt ist einer von denen, die für sich die Verstrickung in diesen verbrecherischen Krieg nicht akzeptiert haben. Am Ende hat er wohl selbst daran geglaubt. Er hat immer wieder neue Legenden gestrickt. Das Buch von Sabine Pamperrien „Helmut Schmidt und der Scheißkrieg“ hat er abgelehnt zu lesen.

Die Botschaft der Ausstellung war in Büchern schon vorher zu lesen…

Nein. Erst die sozialdemokratische Regierung Brandt hat eine kritische Aufarbeitung der Militärgeschichte unter der Leitung von Manfred Messerschmidt initiiert. Die Ergebnisse wurden 1991 in einer Ausstellung unter der Überschrift „Von der Topografie des Terrors“ präsentiert. Da kamen die Soldaten nicht vor, da ging es um die Führungsebene. Soldaten kamen vor als Opfer von Kälte und Hunger.

Die Wirkung der Ausstellung hängt mit den Fotos zusammen. Gab es die vorher nicht?

Die waren nicht ausgewertet worden. Jeder dritte deutsche Soldat hatte einen kleinen Fotoapparat mit, es wurden Millionen von Fotos gemacht, die natürlich auch die Verbrechen zeigten. Das waren Fotos fürs Familienalbum. Die russische Armee hat diese Fotoapparate bei gefangenen oder toten deutschen Soldaten bei ihrem Vormarsch gefunden und eingesammelt – für spätere Kriegsverbrecherprozesse.

Diese Fotos waren bis dahin nie ausgewertet worden?

Nie. Ich bin per Zufall bei Recherchen für ein Filmprojekt darauf gestoßen, in vielen deutschen Familien steckten diese Fotos in den Alben vom Opa oder vom Onkel. Und sehr viele lagen in Moskauer Archiven.

In Bremen hat diese Wehrmachtsausstellung 1997 ohne Zwischenfälle stattgefunden.

Die SPD war dafür, sie zu zeigen, die CDU hat mit dem Bruch der Koalition gedroht und durchgesetzt, dass dann neben der Ausstellung die alten Generäle und Gegner der Ausstellung zu einer großen Konferenz eingeladen wurden. Sicher, in München, der Hauptstadt der Bewegung, hat es die größte Nazi-Demonstration der Nachkriegsgeschichte gegen unsere Ausstellung gegeben, mit 5.000 Teilnehmern. So etwas gab es in Bremen 1997 nicht.

Interview: Klaus Wolschner

19 Uhr, Plantage 13: Diskussion mit Hannes Heer über „20 Jahre nach der Wehrmachtsausstellung“