Fotograf Ziv Koren: "Wir tun unsere Pflicht"
Fotograf Ziv Koren beobachtet den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern - auf beiden Seiten. Er fotografiert nach Selbstmordattentaten und dokumentiert israelische Angriffe im Gazastreifen.
taz: Herr Koren, Sie fahren fast täglich mit dem Motorrad in den Gazastreifen. Sie fotografieren dort den israelisch-palästinensischen Krieg - was sehr gefährlich ist. Was treibt Sie an?
Ziv Koren: Ich versuche, die Geschichte dieses Konfliktes einzufangen. Damit gehe ich bestimmte Risiken ein - aber in den letzten Jahren habe ich auch ein paarmal entschieden, dass es zu gefährlich wäre, wieder loszufahren. Die Tatsache, dass ich Israeli bin, erhöht die Gefahr für mich. Häufig muss ich meine Identität verschleiern, etwa indem ich sage, ich sei ein US-Fotograf, um überhaupt arbeiten zu können.
Denken Sie bei Ihrer Arbeit dort an Ihre zwei kleinen Kinder?
Während des Libanonkrieges im vergangenen Jahr rief mich meine Tochter mitten in einer Schießerei an und sagte: "Papa, komm nach Hause, sie werden Tel Aviv bombardieren! Wer wird uns schützen, wenn du nicht hier bist?!" Das hat mir das Herz gebrochen. Ich versprach, sofort nach Hause zu kommen, wenn was passieren sollte.
Wie halten Sie den Spagat aus?
Ich will mich auf meine Arbeit konzentrieren. Und es ist sehr störend, im Hintergrund stets diese Stimme zu haben, dass ich meine Familie schützen muss.
Hat Ihre Frau, das Model Galit Gutman, schon einmal gesagt: "Geh dort nicht hin, es ist zu gefährlich!"?
Wir sitzen nicht morgens beim Kaffee und diskutieren, was ich heute fotografieren werde. Wie jede andere Person, die morgens zur Arbeit geht, konsultiere ich nicht zuvor meinen Partner zu dem, was ich tue. Ich will auch nicht, dass sie sich zu viele Sorgen macht.
Erlauben Sie sich während der Arbeit das Gefühl des Mitleids mit den Leuten, die Sie fotografieren?
Das passiert jeden Tag. Wenn du nicht Mitleid mit dem Subjekt empfindest, das du fotografierst, verlierst du deine Sensibilität.
Haben Sie jemals ein Foto geschossen, anstatt Menschen zu helfen?
Es gibt nicht die Alternative, entweder das eine oder das andere zu tun. Man kann beides machen: Das Foto schießen und dann helfen, wenn das nötig ist. In der Regel sind etwa bei Bombenanschlägen ganz schnell 50, 60 oder 200 Leute vor Ort, um Verletzten zu helfen oder die Straße zu sperren. Wir alle haben unsere Pflicht zu tun.
Sie haben Selbstmordattentate fotografiert. Diese Attentate wurden durch den israelischen Sperrzaun fast völlig gestoppt. Ist er gerechtfertigt?
Am Anfang war ich gegen den Bau einer Mauer. Es ist das Schlimmste für die Bevölkerung, die nahe der Mauer lebt. Die Mauer trennt Dörfer, und es ist ein wirkliches Desaster, dass Kinder durch diese Mauer müssen, um zur Schule zu kommen. Andererseits sank die Zahl der Selbstmordattentate dramatisch. Diese Tatsache ist schwer zu bestreiten. Sosehr sie den Menschen Schaden zufügt, so muss man sagen: Die Mauer erfüllt ihre Aufgabe.
Glauben Sie, dass Ihre Kinder eines Tages mit Palästinensern in Frieden leben werden?
Meine spontane Antwort würde sein: Ja! Denn ich bin ein optimistischer Mensch. Andererseits habe ich nun schon lange erleben müssen, dass jeder weitere Tag des Mordens die Möglichkeit verzögert, einen Frieden zu schließen. Der Hass ist mittlerweile tief gegründet in der Mentalität und Erziehung! Hätten Sie mir vor ein paar Jahren die gleiche Frage gestellt, hätte ich geantwortet: "Sicherlich!" Heute sage ich: Es braucht wohl noch eine Generation, um den Frieden zu gewinnen.
INTERVIEW: PHILIPP GESSLER
Ziv Koren Austellung vom 28.09 bis 10.11.2007 in der Cicero-Galerie für politische Fotographie, Rosenthaler Straße 38, 10178 Berlin
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