Fotoausstellung zum rechten Terror: Leerstellen im Gedächtnis
„Blutiger Boden“: Die Fotografin Regina Schmeken zeigt im Militärhistorischen Museum Dresden die Tatorte der NSU-Morde. Hinschauen lohnt.
Nichts ist weniger alltäglich als dieser Ort. Denn er ist ein Tatort in einer der bösartigsten Mordserien seit Bestehen der Bundesrepublik. Der Gemüsehändler Habil Kiliç fiel hier, in der Bad-Schachener-Straße in München, am 29. August 2001 Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zum Opfer. Sie hatten sich zusammen mit Beate Zschäpe als Nationalsozialistischer Untergrund formiert, als rassistische und nationalistische, rechtsextreme Terrororganisation, von der alle relevanten Behörden und Institutionen – trotz einer Vielzahl von fremdenfeindlichen und rassistischen Vorfällen im Land und besonders in Ostdeutschland – behaupteten, eine solche könne unmöglich in unserem Land existieren.
Nachdem die Bande im November 2011 per Zufall und eben nicht aufgrund einer konsequenten Ermittlungsarbeit von Polizei und Verfassungsschutz aufgeflogen war und Mundlos und Böhnhardt sich umgebracht hatten, steht Beate Zschäpe seit Mai 2013 in München vor Gericht. Damals bat die Gerichtsreporterin der Süddeutschen Zeitung, Annette Ramelsberger, ihre Kollegin Regina Schmeken, Redaktionsfotografin der Süddeutschen Zeitung, die Tatorte der NSU-Verbrechen zu dokumentieren. Sie sind nun zusammen mit weiteren Fotos, die Schmeken 2015/16 aufnahm, im Militärhistorischen Museum in Dresden zu sehen.
Dresden ist ja heute nicht mehr wegen seiner Schönheit, seiner Kunstschätze oder der wieder erstandenen Frauenkirche berühmt. Vielmehr haben die unsäglichen Pegida-Aufmärsche die Stadt in aller Munde gebracht. Und es scheint, als sei in den Demonstrationen dieser neuen Völkischen die Saat der Terrorzelle, ihr Hass, zuletzt aufgegangen. Ein Glück also für Dresden, nicht ohne eine gewisse Ironie, dass ausgerechnet die Bundeswehr mit ihrem historischen Museum einspringt, den Diskurs über die Gefährdung der Demokratie von rechts, durch Populismus und Radikalismus zu führen, wo Polizei und Justiz auch weiterhin dazu nur sehr wenig zu sagen haben.
Fast ganz zu Boden
Allen Fotografien der Tatorte, die Regina Schmeken sechs bis dreizehn Jahre nach den Morden aufsuchte, gemeinsam ist die Leerstelle des hingerichteten Mannes oder der hingerichteten Frau im Fall der Polizistin Michèle Kiesewetter. Schmeken zeigt diese Leerstelle, sie inszeniert sie, indem sie mit der Kamera ganz runter, fast ganz zu Boden geht. Dadurch nimmt der Belag der Straße erst einmal viel Raum ein, bevor der heruntergelassene Rollladen des Geschäfts ins Bild kommt, in dem Süleyman TaşKöprü im Juni 2001 in Hamburg ermordet wurde; oder der am linken Straßenrand geparkte Audi ins Blickfeld sticht, in der Keupstraße in Köln, wo ein Bombenanschlag des NSU zweiundzwanzig Verletzte und Schwerverletzte zur Folge hatte.
Mit dieser absichts- und bedeutungsvollen Leere, die Schmeken in ihren hart abgezogenen Schwarz-Weiß-Fotografien entstehen lässt, korrespondiert auf perverse Art und Weise die Leere im Gedächtnis der Verfassungsschutzbeamten und ihrer V-Männer, die sich an nichts mehr erinnern können, im Zusammenhang mit Mundlos und Böhnhardt und der rechten Szene, wie dem Thüringer Heimatschutzbund, in der die beiden verkehrten.
Bis 7. Mai, Militärhistorisches Museum, Dresden. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen. Regina Schmeken: „Blutiger Boden. Die Tatorte des NSU“. Mit Texten von Hans Magnus Enzensberger, Barbara John, Annette Ramelsberger, Feridun Zaimoglu u. a. Hatje Cantz 2016, 35 Euro
Und weil nun Regina Schmeken, die vielfach ausgezeichnete politische Pressefotografin, so viele Aspekte dieser Mordserie in ihren Bildern zur Sprache bringt: die Verlassenheit der Hinterbliebenen, die in den verschlossenen Häusern und Geschäften ebenso sichtbar wird wie in den Passanten der Mut der Hinterbliebenen, sich wieder dem Leben zu stellen, das sichtlich ja weitergeht; eben deswegen ist es schade, dass die Hängung im Museum nicht wirklich zufriedenstellt.
Die Verlassenheit und der Mut der Hinterbliebenen
Wie ein Fries zieht sich die eindrucksvolle Dokumentation im Erdgeschoss des keilförmigen Erweiterungsbaus von Daniel Libeskind an den Wänden entlang. Doch mit der ununterbrochenen Abfolge der Bilder, die – verständlicherweise − nicht als einzelne Kunstwerke präsentieren werden sollen, geht ein Teil ihrer Eindrücklichkeit verloren. Dazu macht seine Anbringung einen glauben, der Fries hinge hier von Anbeginn, sei keine Sonderausstellung, sondern Museumsinventar.
Und so steuern die jugendlichen Besucher, die man beobachtet, direkt die bunten Torpedos und scharfen Artillerieraketen der Amerikaner aus dem Zweiten Weltkrieg an, die im Hintergrund der Räume locken. Die Dezenz des schwarz auf die weiße Wand gebrachten Ausstellungstexts ist ebenfalls nicht wirklich hilfreich. Es fehlt ein Ausrufezeichen, die Aufforderung zum Hinschauen. Denn schaut man erst mal hin, kommt niemand so schnell wieder von den Bildern los.
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