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■ „Fortschrittliches“ ReisenZum Teufel mit dem „sanften Tourismus“

In fortgeschrittenen Industrieländern gilt „sanfter Tourismus“ heute als das A und O des Fremdenverkehrs: Integration des Fremden ins alltägliche Leben der „Einheimischen“ und Boykott von Anlagen, die die Natur zerstören. Eine schöne Idee, abstrakt gesehen. Doch in Wirklichkeit sieht das alles völlig anders aus. Natürlich weiß heute jeder Bauer in den Pyrenäen, in den Abruzzen oder auf Kreta, was man alles sagen muß, um „sanften Touristen“ zu gefallen. Schlimm wird's, wenn die Fremdlinge dann beginnen, das zurechtzurücken, was ihrer Meinung nach noch alles zu verbessern ist.

Ein Beispiel: Bis vor wenigen Jahren war der Urlaub auf dem Bauernhof die große Wiederentdeckung. Der Misthaufen mitten auf dem Hof stank zwar, das galt aber als „würzige Landluft“ und sollte den stadtsmogverklebten Bronchien zur Wiederöffnung verhelfen. Doch mittlerweile wissen die ökobewußten Urlauber, daß Jauche im Grunde schädlich ist. Kaum sehen sie den Bauern im Jaufenpaß mit seinem Güllefaß aufs Feld ziehen, stoppen sie ihn und verwickeln ihn so lange in eine fruchtlose Diskussion, bis er wutentbrannt seinen Traktor durchstartet und den Hahn zum Ablassen öffnet.

Zehntausende von Beherbergungsunternehmern beklagen sich inzwischen bei ihren Fremdenverkehrsämtern darüber, wie ihnen deutsche, Schweizer, schwedische Urlauber genau auflisten, was für eine Solaranlage sie kaufen sollen. Und mancher Heimwerker aus deutschen Landen besteht sogar darauf, sie in seinen 14 Urlaubstagen beim Vermieter selbst zu installieren. Doch woher die Leute das Geld für die Anlagen nehmen sollen, sagt ihnen keiner. Natürlich sind nicht alle „Sanfttouristen“ so, manche fallen eher durch die umgekehrte Haltung auf. Sie versuchen sich so penetrant bescheiden ins Alltagsleben zu integrieren, daß es den Gastgebern schon unangenehm ist: der stämmige Turnlehrer, der dem Knecht die Mistgabel aus der Hand nimmt und dessen Arbeit erledigt, die liebe Familienmutti, die der Vermieterin anbietet, Socken zu stopfen. „Ihr seid doch zum Urlaub hier und nicht, um uns arbeitslos zu machen“, rief unlängst verzweifelt eine Verkäuferin im Zentrum von Montello, als ihre Gäste nun auch noch anfingen, Kunden zu bedienen.

Mal ganz ehrlich: Vielen von uns ist da der herkömmliche Tourist viel lieber. Der kam, nahm alles, was er kriegte, und motzte, weil er sich angeschmiert fühlte. Aber danach war er wieder weg. Und wir waren zufrieden. Angelo Dalla Chiesa

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