Forschung und Krieg: "Militarisierung der Hochschulen"
Armin Olunczek von der „Brandenburg-Berliner Initiative für Zivilklauseln“ erklärt, warum die Initiative Forschung zu militärischen Zwecken verbieten will.
taz: Herr Olunczek, warum braucht die Hochschullandschaft Berlin-Brandenburg Zivilklauseln?
Armin Olunczek: In den letzten Jahren beobachten wir eine zunehmende Militarisierung der Hochschulen, dazu ist die Initiative für eine Zivilklausel eine Art Gegenbewegung: Wir wollen eine Öffentlichkeit dafür schaffen, wie viel Forschung mit militärischem Nutzen und wie viele durch Rüstungsunternehmen finanzierte Projekte eigentlich stattfinden.
Wie sieht diese Militarisierung der Hochschulen konkret aus?
In Berlin und Brandenburg geht es dabei weniger um technische und mehr um sozialwissenschaftliche Forschung. Also kein typisches Bombenbauen, sondern eher eine soziologische Untersuchung des Militärs, die aber einen stark legitimierenden Charakter hat.
Die Technische Universität Berlin hat schon lange eine Zivilklausel, deren Umsetzung allerdings kaum überprüft wird. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass eine Zivilklausel nicht nur abgenickt, sondern auch eingehalten wird?
Wichtiger noch als die Klausel selbst ist es für uns, mehr Transparenz in der Forschung zu erreichen. Solange gar nicht bekannt ist, welche Gelder fließen oder wo zu militärischen Themen geforscht wird, können wir die Einhaltung natürlich schlecht überprüfen. Es gibt allerdings auch den Weg, die Klausel rechtlich bindend zu gestalten, indem man sie ins Hochschulgesetz aufnimmt. In Brandenburg hat die Linkspartei gerade beschlossen, sich bei der anstehenden Novellierung des Gesetzes für eine Zivilklausel einzusetzen.
gehört zur Brandenburg-Berliner Initiative für Zivilklauseln. Er studiert in Potsdam Soziologie und Philosophie und ist auch Asta-Referent für Antimilitarismus. Am Montag, 4.2.2013, findet in der TU Berlin, Straße des 17. Juni 135, im Raum H 2036 eine von der Initiative organisierte Podiumsdiskussion zum Thema statt, u. a. mit der ehemaligen Bundestagspräsidentin und heutigen TU-Kuratorin Rita Süssmuth und der Sprecherin für Wissenschaft und Forschung der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Anja Schillhaneck. Beginn der Debatte ist um 18.30 Uhr.
Per Gesetz sollen also bestimmte Forschungsthemen verboten werden – hört sich nicht gerade nach Wissenschaftsfreiheit an.
Die Wissenschaft ist zwar frei, aber dennoch kein rechtsfreier Raum, auch sie ist natürlich an bestimmte ethische Standards und an das Grundgesetz gebunden. Dort heißt es, dass es das Ziel des deutschen Volks sei, „dem Frieden der Welt zu dienen“ – diese Friedensfinalität gilt auch für die Wissenschaft.
Drittmittel sind aber – ob man das nun gut findet oder nicht – für viele Unis eine wichtige Finanzierungsquelle. Eine Zivilklausel verschreckt potenzielle Geldgeber – tut man der Wissenschaft damit einen Gefallen?
Drittmittel sind wichtig, aber sie sind nicht die einzige Finanzierungsquelle. Oft gibt es sie ja nur dann, wenn auch öffentliche Mittel fließen. Diese öffentlichen Mittel würden bei einem Verbot von Militärforschung frei – und könnten woanders eingesetzt werden.
Ist es denn immer so einfach zu entscheiden, was überhaupt militärische Forschung ist? Wie ist das bei Grundlagenforschung oder sogenannten Dual-Use-Projekten, die sowohl militärischen als auch zivilen Nutzen haben?
Das ist gerade in Berlin und Brandenburg eine wichtige Frage, weil gerade in der sozialwissenschaftlichen Forschung die Grenzen in der Tat nicht immer ganz einfach zu ziehen sind. Es gibt aber schon Richtlinien, zum Beispiel die Liste von Dual-Use-Gütern in der deutschen Exportkontrolle. Außerdem plädieren wir dafür, dass mit der Zivilklausel ein Ethikrat an den Hochschulen eingerichtet wird, der dann über strittige Projekte entscheiden kann.
Die Idee einer Zivilklausel kommt aus der Friedensbewegung der achtziger Jahre, erfreut sich aber in letzter Zeit wieder wachsender Popularität an vielen Unis. Warum ist das Thema wieder da?
Dafür sehe ich mehrere Gründe: Durch die wachsende Anzahl von Bundeswehreinsätzen ist das Militär wieder stärker in das Alltagsbewusstsein der Leute gerückt, auch an den Unis sind militärische Unternehmen und Institutionen stärker präsent als früher. Außerdem nimmt sowohl die Zusammenarbeit von Hochschulen und Unternehmen als auch die Zusammenarbeit zwischen zivilen Unternehmen und militärischen Organisationen immer weiter zu.
Was sind die nächsten Ziele und Schritte der Initiative?
Gerade wollen wir vor allem ein Bewusstsein für unser Anliegen schaffen, indem wir zum Beispiel Veranstaltungen wie jetzt am Montag zu dem Thema organisieren. Dieses Bewusstsein brauchen wir nicht nur für die Einführung einer Zivilklausel, sondern auch für ihre spätere Umsetzung – ohne eine sensibilisierte, kritische Öffentlichkeit, die aufpasst und sich dafür interessiert, was an den Unis eigentlich passiert, geht es nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz