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Forschung über LaborfleischFalsches Huhn an Nährlösung

Ob im Labor erzeugtes Fleisch jemals marktreif wird, wissen nicht einmal Forscher. Doch bereits jetzt wird untersucht, wie Verbraucher darauf reagieren könnten.

Vom Reagenzglas über Fleischstreifen bis zum ganzen Huhn? Bald könnte es künstlich erzeugtes Fleisch geben. Bild: Jenzig71 / "photocase"

Die Hoffnung der Kunstfleischhersteller ist die Margarine. Das Streichfett wurde im 19. Jahrhundert als Ersatz für Butter entwickelt. Aber von Butterimitat spricht schon seit Langem niemand mehr - Margarine ist als eigenständiges Produkt anerkannt. Forscher fragen sich jetzt: Würden Verbraucher so langfristig auch mit Fleisch aus dem Labor umgehen?

Niemand weiß, ob Wissenschaftler jemals in der Lage sein werden, Laborfleisch herzustellen, für das man keine tierischen Zusatzprodukte braucht. Noch dazu, wenn es gleichzeitig preiswert sein und schmecken soll. Dennoch beginnen schon heute Studien darüber, wie Konsumenten auf die Einführung solcher Produkte reagieren könnten. Denn die Zukunft von künstlichem Fleisch hängt davon ab, ob es jemand kaufen will - Laborerfolg hin oder her.

Bernard Roelen ist einer derjenigen, die dafür sorgen wollen, dass es überhaupt etwas zu verkaufen gibt. Der Forscher der Universität Utrecht ist an einem Projekt beteiligt, bei dem das In-vitro-Fleisch erzeugt werden soll. Das niederländische Wirtschaftsministerium finanziert seine Forschung. "In vitro" bedeutet "im Glas", es geht also um einen organischen Prozess außerhalb eines Lebewesens. Für das Kunstfleisch entnimmt Roelens Team lebenden Tieren sogenannte adulte Stammzellen, etwa aus dem Muskelgewebe. Diese Zellen sind in der Lage, sich zu fast allen Gewebearten zu entwickeln. Die entnommenen Zellen vermehren sich zunächst in einem Brutschrank. Sind sie genügend herangereift, werden sie durch eine Nährlösung dazu gebracht, sich zu Muskelzellen zu entwickeln. Für diese Lösung brauchen die Forscher momentan allerdings Tierblut.

Ein weiteres Problem: Dem Fleisch fehlt sozusagen die Bewegung, die es durch das Laufen bekäme. Das Fleisch muss daher mit Strom traktiert werden - das kostet. Bei der Massenproduktion könnten dafür möglicherweise Chemikalien eingesetzt werden. Momentan kostet ein Bissen Gewebe etwa 60.000 Euro.

Bild: taz

Dieser Text stammt aus der aktuellen sonntaz vom 7./8. August 2010 -ab Samstag mit der taz am Kiosk oder direkt in ihrem Briefkasten.

Reagenzglas-Fleisch

Das Problem: Die Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen rechnet bis 2050 mit einer Verdoppelung der jährlichen Fleischproduktion auf 463 Millionen Tonnen weltweit. Schon heute werden ihren Zahlen nach 80 Prozent des Agrarlandes auf der Welt für Viehhaltung verwendet.

Die Forschung: Aus Stammzellen erwachsener Tiere, die sich zu fast allen Zelltypen ausdifferenzieren können, versuchen Wissenschaftler Fleischstreifen im Labor zu züchten. Mit Mäusezellen geht es am einfachsten. Da die niemand essen möchte, experimentieren sie mit Schwein und Rind.

Bisher konnten nur winzige Fleischstreifen erzeugt werden. Für größere Stücke wären voraussichtlich Blutgefäße nötig. Abgesehen von Zusätzen durch die Herstellung wäre das Fleisch genetisch mit normalem Fleisch identisch. Der menschliche Körper dürfte davon nichts bemerken. Der einzige Unterschied: Für das Fleisch musste kein Tier sterben.

Damit haben der Zellbiologe Bernard Roelen und seine Kollegen nicht nur Tierrechtler auf ihrer Seite, sondern auch viele Umweltschützer, die die Folgen zunehmender Fleischproduktion beklagen - wie etwa enormen Wasserverbrauch und Treibgasausstoß.

Die Tierrechtsorganisation Peta verspricht dem Forscher, der als Erster im Labor künstliches Fleisch herstellt, eine Million US-Dollar. Voraussetzungen: Das Fleisch soll wie echtes Hühnerfleisch schmecken. Zudem muss es bereits in marktreifen Mengen und zu konkurrenzfähigen Preisen auf dem US-Markt vorhanden sein.

Doch Bernard Roelen weiß auch, dass der Erfolg von künstlichem Fleisch nicht allein am Preis hängen wird: "Manche Leute sagen, sie würden ein solches Produkt niemals essen, während andere sagen, es sei brillant."

Um herauszufinden, wie Verbraucher auf In-vitro-Fleisch reagieren, wird in den Niederlanden in Kürze ein Forschungsprojekt von Biologen und Konsumforschern gestartet, finanziert durch das Landwirtschaftsministerium. Dabei werden Reaktionen aus moralischer Perspektive und aus Konsumentensicht getrennt betrachtet. "Ethische Überlegungen und Verbraucherreaktionen können sehr unterschiedlich sein, zumindest zu Beginn", sagt Cor van der Weele von der Universität Wageningen. Sie wird den Teil des Projekts leiten, der das untersucht.

Über einige der Reaktionen kann die Forscherin bereits jetzt etwas sagen. Laborfleisch werde moralisch meist gut bewertet, dabei werden der Tierschutz und die Nachhaltigkeit angesichts knapper Ressourcen genannt. Doch die moralischen Überlegungen allein bestimmten nicht das Kaufverhalten. Laut Cor van der Weele reagieren Verbraucher meist skeptisch. "Die typische misstrauische Frage lautet: Was versuchen die diesmal mit unserem Essen anzustellen?" Die Forscherin will untersuchen, welchen Unterschied die Art der Werbung zum Produkt macht. Ihre Ergebnisse können die Richtung der Forschung beeinflussen: Wie soll In-vitro-Fleisch aussehen? Welche Techniken dürfen zum Einsatz kommen? Soll es Fleisch möglichst genau nachahmen?

Andrea Schauff von der Verbraucherzentrale Hessen warnt vor einer Verwechslungsgefahr zwischen Metzgerei- und Laborfleisch - "der Kunde muss eine Wahlmöglichkeit haben", sagt sie. Außerdem könne der Einsatz von Hormonen zur Anregung des Stammzellenwachstums gesundheitlich problematisch sein. Würden solche Bedenken aber vor der Markteinführung ausgeräumt, spräche aus Verbrauchersicht grundsätzlich nichts gegen In-vitro-Fleisch.

Auch die niederländische Forscherin Cor van der Weele glaubt, dass die Transparenz des Herstellungsprozesses über den Erfolg von Laborfleisch entscheiden wird, zusammen mit der Tatsache, ob es vegetarisch und nachhaltig hergestellt werden kann - ohne Blut und teure Forscherarbeitsstunden. Und dann kämen irgendwann die vielleicht wichtigsten Fragen hinzu: Wie schmeckt es? Wie riecht es? Wie fühlt es sich an? Erst an der Supermarktkasse wird sich vielleicht in vielen Jahren herausstellen, ob van der Weele die Ängste und Wünsche der Konsumenten richtig erfasst hat.

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16 Kommentare

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  • F
    FAXENDICKE

    Super, prima und um ganz sicher zu gehen das auch nichts vom Tier (sofern man den Menschen dummerweise über das Tier stellt) verwendet wird, bediene man sich bei der Züchtung des in vitro Fleischs am Besten menchlicher Stammzellen.

    Das eröffnet dann der Fleischmafia auch wieder ganz neue Möglichkeiten, denn mit der stetig wachsenden globalen Überbevölkerung wächst auch die Anzahl von toten menschlichen Körpern. Guten Appetit!

  • T
    Thomas

    Ich würde es essen, wenn es tatsächlich nicht ungesund ist. Ich trinke doch auch Cola.

     

    Stellt euch vor in-vitro würde zum Standard und echtes Fleisch eine echte Delikatesse, die man nur bekommt, wenn ein Reh geschossen wurde.

  • FF
    Fritzy Fratz

    Keule, in jedem Fall Keule -

     

    Interferone werden für gewöhnlich nicht als Lebensmittel gewertet, können aber merkwürdig langanhaltende Anfälle von Appetitlosigkeit

    erzeugen -

     

    http://www.bio-pro.de/magazin/thema/00158/index.html?lang=de&artikelid=/artikel/03689/index.html

  • E
    emil

    ist doch nur die logische konsequenz, das gros der pflanzen wächst schließlich auch nicht mehr in der erde.

     

    und die fleischkonsumenten, die für den immensen fleischhunger verantwortlich sind, dürften sich nicht daran stören, woher es kommt. das tun sie ja bisher auch nicht.

  • G
    GutMensch

    Mir wird übel beim Lesen des Artikels,

    wieder wird ein austauschbares Produkt designt, nur wird das nicht so einfach gehen. Eine Vielzahl von Hilfsstoffen und Technik wird nötig sein, um ein "für den Kunden" akzeptables Endprodukt zu erzeugen. Man braucht sich bloß über die aktuelle Produktion von Nahrungsmitteln zu informieren.

     

    Sind wir schon wirklich so weit angelangt, das wir einen "Teil Kuh" außerhalb der Kuh produzieren wollen?

     

    Alles auf das minimalste an Leben reduzieren?

    Auf die Topfpflanze? Auf das In-Vitro-Steak?

     

    Begründet durch "Tierschutz"?

     

    In was für einer Welt will Vale Leben?

  • E
    entfremdeter

    Einfach nur widerlich!!!

     

    Wie weit wolln wir uns noch von unserm Essen entfremden? Jetzt auch noch Stammzellen-Fleisch, damit die Gewissensvegetarier wieder Fleisch essen können...

     

    Ich empfehle "Unser Täglich Brot", Dokfilm vom grandiosen Geyerhalter (und bei weitem besser als der erhobene Zeigefinger Wagenhofers in "we feed the world") über das monströse Paralleluniversum Nahrungsmittelherstellung.

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Unser_t%C3%A4glich_Brot_%282005%29

  • D
    deviant

    @Tanko

    Ich als Vegetarier würde es zumindest mal ausprobieren, auch aus einem anderen Grund, den du leider völlig vergisst: Die "grünen Wüsten" Südamerikas durch den massenhaften Sojaanbau sind ein noch viel größeres Problem als die individuellen möglichen Folgen für den Konsumenten von in-vitro-Fleisch. Auch das sollte man als taz-Leser wissen ;-)

  • A
    Antonietta

    Der menschlichen Gesundheit ist der Fleischverzehr alles andere als zuträglich, enthält Fleisch doch übermäßig Fett und Cholesterin, dafür aber keine Kohlenhydrate und Ballaststoffe. Menschen, die tierische Produkte verzehren, tragen ein 10mal höheres Risiko, an einem Herzleiden zu erkranken, und ein um 40% höheres Krebsrisiko. Doch auch das Risiko für andere Krankheiten ist höher, so z.B. für Schlaganfall, Fettleibigkeit, Bliddarmentzündung, Osteoporose, Arthritis, Diabetes, Impotenz und Lebensmittelvergiftung.

  • S
    Susanna

    Der Artikel ist ein Scherz, oder?

     

    DAS ist doch kein Weg aus Massentierhaltung , Rinderwahn und verseuchtem Fleisch und vorallem generell von zu hohem Fleischkonsum.

     

    Wir müssten heutzutage kein Fleisch mehr essen. Wäre auch alles im Getreide und grünem Gemüse enthalten. und fürs Auge tut´s ne Sojawurst.

     

    Wer aber Fleisch einfach mag und es ab und zu essen will wie ich z.B, muss sich bewußt sein dass er dafür ein Tier töten läßt.. fertig - egal ob er nun aus gesundheitlichen Gründen ein freilaufendes Hähnchen vom Demeterbauern bevorzugt oder ein antibiotisch hochgezüchtetes ärmlich verendetes Vieh einer Massenhaltungsanlage.

     

    Also Essen hat doch mit Genuss zu tun, oder?

  • V
    vantast

    Es wäre eine gute Sache, kein Tier müßte leiden für die Gier der Leute nach Aas. Und die Massenproduktion würde noch billiger werden. Wer denkt da nicht an "Green soil"? Weit sind wir ja nicht davon entfernt, dabei gibt es einfachere Lösungen.

  • K
    keks

    Der Vergleich mit Margarine hinkt schwer. Margarine wird aus natürlichen Stoffen hergestellt oder kann zumindest problemlos aus solchen Stoffen hergestellt werden und ist keine Kunstbutter. Ob Butter, margarine oder Schmalz als Brotaufstrich bleibt alleine dem Geschmack überlassen. Laborfleisch bleibt Laborfleisch.

  • SK
    Stefan K.

    Einen Würfel Hähnchenfleisch bitte.

     

    @willy

     

    In "Brust oder Keule" stammten die Erzeugisse aber aus Erdölprodukten).

  • F
    Frank

    Hoffentlich kommt es bald auf den Markt dann müssen nie wieder Tiere zu MILLIARDEN ermordet werden.

  • T
    Tanko

    Interessanter Bericht, doch die Frage ist, ob man wirklich so etwas braucht?

    Es gibt doch schon Soja-Fleischersatz, auch Vleisch genannt. Manche Sachen (bei weitem nicht alle) schmecken hervorragend. Probiert nur mal die Valess-Schnitzel. Ich als Vegetarier konnte bisher jedes Gericht vegetarisch gestalten, von der Bolognese bis zum Steak.

    Gerade als taz-Leser sollte man sein eigenes Handeln kritisch hinterfragen, und aus Geschmack zu töten scheint mir doch als einer der niedersten Beweggründe.

    Und wird das In-Vitro-Fleisch genauso schädlich sein wie Fleisch (vgl. Heidelberger Studie zum Vergleich von omnivorer und vegetarischer Ernährung)?

    Produziert der Körper dann auch Schwefelsäure und Ammoniak?

    Solche weiteren, negativen Aspekte von Fleisch sollten bei der Forschung auch berücksichtigt werden.

  • V
    Vale

    Die Forschung finde ich gut, zumal das abgepackte Supermarktfleisch schon heute gefühlt völlig losgelöst ist vom Tier.

    Zumindest die emotionale Bindung fehlt, oder warum ekeln uns sonst herumhängende Rinderhälften, Schafsköpfe, ganze Hasen aus dem Kühlregal, nicht aber die Teile davon?

     

    Nur die Teile künstlich zu erzeugen, wäre nur folgerichtig, denn schon heute wird ja gezielt aufs Einheitsfleisch gezüchtet (Hybridhühnchen u.ä.) nur leiden dabei Tiere und es werden irre viele Ressourcen v.a. an Wasser und Getreide verschlungen.

     

    Wenn sich das erübrigt, nur zu. Dann kann ich endlich wieder mit reinem Gewissen Fleisch konsumieren.

  • W
    willy

    Warum muss ich beim lesen dieses Artikels sofort an Louis de Funes und "Brust oder Keule" denken?

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Brust_oder_Keule