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Forschung an ElektroautosPer Bremse in die Zukunft

Die Chinesen wollen die ersten noch 2009 verkaufen: Überall wird an neuen Elektroautos geforscht. Doch noch scheint das alles Zukunftsmusik zu sein.

Gerade mal 160 Kilometer schafft ein elektrisch betriebener Kleinwagen derzeit, bis die Akkus leer sind. Bild: dpa

KAMENZ taz | Zwischen Unternehmen wie Sachsen Fahnen und Jägermeister sitzt die Hoffnung der deutschen Automobilindustrie. Im Industriegebiet des beschaulichen Städtchens Kamenz bei Dresden entwickelt Li-Tec, ein Joint Venture zwischen Daimler und dem Chemiekonzern Evonik, Batterien für zukünftige Elektro- und Hybridautos. Das schaut sich Umweltminister Sigmar Gabriel gerne an. Denn Elektroautos gehöre die Zukunft und hier befinde man sich "im Zentrum einer industriellen Revolution", tönt der SPD-Minister schwergewichtig.

Pioniere der Elektromobilität

Better Place: Das von dem ehemaligen SAP-Vorstand Shai Agassi gegründete Unternehmen "Better Place" will eine flächendeckende Versorgung für Elektroautos mit Akkus, die an Wechselstationen getauscht werden, sobald sie leer sind. Der Vorteil: Die mangelhafte Reichweite ist kein Problem mehr. Israels Regierung will das System einführen, Better Place hat bereits mit dem Aufbau eines Netzes begonnen.

Tesla Motors: Die Firma Tesla Motors verkaufte als erste Firma weltweit Elektroautos in Kleinserie, ab 2008 lief der Sportwagen Tesla Roadster vom Band. Der Antrieb bestand aus 6.831 Laptop-Akkus, erste Käufer des knapp 100.000 Dollar teuren Autos waren unter anderem George Clooney und Arnold Schwarzenegger. Für 2012 hat Tesla Motors den Bau einer kostengünstigeren Limousine angekündigt. Daimler ist mit 10 Prozent an dem Unternehmen beteiligt.

Build your Dreams (BYD): Der chinesische Batteriekonzern Build Your Dreams plant die Einführung eines Elektroautos für dieses Jahr. US-Investor Warren Buffett unterstützt dies mit 200 Millionen Euro. Die Arbeit der Chinesen überzeugt auch deutsche Autobauer - Volkswagen und Build Your Dreams haben eine Absichtserklärung unterzeichnet, künftig bei der Entwicklung von Elektroautos zusammenzuarbeiten. SSP

Die Batterien für Elektro- und Hybridautos bestehen aus 125 zusammengesetzten, je ein Kilo schweren Platten. Diese Klötze sollen in ferner Zukunft dafür sorgen, dass Benzin überflüssig wird, dass Deutschland weniger CO2-Ausstoß vermelden kann, dass die Luft frisch und der "Green New Deal" Wirklichkeit wird.

Autos mit Elektroantrieb sind en vogue. Auf jeder Automesse überbieten sich die Hersteller mit neuen Prototypen von Elektromodellen und Plug-in-Hybriden - an Steckdosen und Tankstellen aufladbaren Mischformen mit einem Benzin- und einem Elektromotor. Allein beim Genfer Autosalon im März 2009 wurden 20 mehr oder wenig ausgereifte Autos mit alternativen Antrieben vorgestellt, unter anderem von Opel und Toyota. Der Chevrolet Volt, entwickelt von dem insolventen US-Hersteller General Motors und ausgestattet mit sowohl Verbrennungs- als auch Elektromotor, soll General Motors ab 2011 endlich wieder als technologisch führend adeln. Und auch die deutschen Hersteller wollen Gabriels "Revolution" anführen. Sowohl Daimler als auch BMW starten derzeit Pilotprojekte in Berlin. 100 Minis und 100 Smart sollen Ende dieses Jahres elektrisch angetrieben durch die Hauptstadt rollen und den Weg für eine Massenfertigung von Elektroautos bereiten.

So etwas gab es schon mal, Anfang des Jahrtausends. Wasserstoffbrennstoffzellen sollten den mit Benzin angetriebenen Verbrennungsmotor ablösen. 2002 kündigte Mercedes beispielsweise das erste Brennstoffzellenauto für 2004 an und prognostizierte, dass ab 2010 Deutschland flächendeckend mit dafür notwendigen Wasserstofftankstellen ausgerüstet sein werde. Die Energie für die Gewinnung des Gases sollte aus Solarkraftwerken in Afrika kommen. Passiert ist außer der Einrichtung von Forschungsinstituten nichts. Und genau wie damals sind auch die Elektroautos heute vor allem eins - Zukunftsmusik. Die Bundesregierung rechnet damit, dass 2020 eine Million Hybrid- und Elektroautos auf Deutschlands Straßen fahren werden. Das wären dann etwa 2 Prozent aller in Deutschland zugelassenen Pkws.

Warum diese Diskrepanz zwischen Wollen und Können? Ein Problem der Hersteller ist die nach wie vor nicht befriedigende Leistung der Batterien. So kommt derzeit ein E-Smart mit 125 Kilogramm Batterien an Bord auf eine Reichweite von 160 Kilometern, dann muss er aufgeladen werden. Da ohnehin über 80 Prozent aller Autofahrten in Deutschland kürzer als 50 Kilometer sind, würde eine geringe Batterieleistung zumindest für den innerstädtischen Verkehr ausreichen. Um Elektroautos schnell aufladen zu können, sind jedoch Starkstrom und ein spezielles Kabel notwendig. Dafür müssten in jeder Stadt an jeder Straßenecke Ladestationen installiert werden - was erhebliche Investitionen bedeutet.

Auch die Kosten bereiten den Herstellern Kopfzerbrechen. So wird der E-Smart voraussichtlich deutlich teurer werden als ein herkömmliches Modell. Auch der US-Autobauer General Motors rechnet für die erste Serie Volt noch mit keinem Gewinn. Denn der Batterieblock in einem Volt wird nach Berechnungen von GM in der ersten Serie 15.000 Euro kosten - damit kommt ein Fahrzeug auf einen Gesamtpreis von 39.000 Euro. Die deutlich höheren Anschaffungskosten sollen laut GM durch geringere Kosten im Betrieb amortisiert werden. So sollen Käufer des Volt nach Angaben des Unternehmens jährlich 2.200 Euro einsparen können, auch dadurch, dass Benzin doppelt so stark besteuert wird wie Strom - selbst wenn dieser aus Kohle- und Gaskraftwerken kommt und beim Betrieb ebenso CO2 entsteht wie bei der Verbrennung von Benzin.

Ob und in welchem Umfang Elektroautos überhaupt CO2 einsparen, ist umstritten. "Mit dem derzeitigen Kraftwerksmix würden sich für Elektroautos in Deutschland etwa 90 Gramm CO2-Emission pro Kilometer ergeben", sagt Christian Rehtanz, Professor für Energiewirtschaft an der Uni Dortmund. Derzeit stoßen deutsche Autos im Mittel etwa 150 Gramm CO2 pro Kilometer aus. "Es kommt auf den Mix an." Während man mit Strom aus Braunkohlekraftwerken auf 190 Gramm CO2 pro Kilometer kommen würde, gäbe es bei der Verwendung von Atomstrom oder erneuerbaren Energien kaum zusätzlichen CO2-Ausstoß. Aber auch wenn Elektroautos mit erneuerbaren Energien betrieben würden, hätte das keinen positiven Effekt, denn diese Energie würde dann bei der übrigen Stromversorgung fehlen und müsste ersetzt werden: "Wenn wir zum Beispiel Windstrom, der heute im Stromnetz verwendet wird, in die Autos tanken und dafür Braunkohlekraftwerke hochfahren, dann wird die Bilanz nicht besser, sondern schlechter."

Rehtanz sieht in Elektroautos eine Hoffnung für die erneuerbaren Energien: Sie könnten kombiniert als gigantische Stromspeicher dienen und damit die Unzuverlässigkeit der erneuerbaren Energien ausgleichen. Denn insbesondere Windenergie und Solarkraft sind großen Schwankungen ausgesetzt. Das Stromnetz bricht schon bei einer kurzen Unterschreitung der benötigten Energie zusammen, deshalb müssen die Stromkonzerne immer ausgleichende Ersatzkraftwerke in Betrieb halten, wenn beispielsweise der Wind abflaut. "Wenn wie geplant 2020 40 Prozent der Gesamtenergie aus erneuerbaren Quellen kommen, können Schwankungen zu einem riesengroßen Problem werden", sagt Rehtanz. Energiespeicher seien deshalb dringend notwendig und hier böten Elektroautos ein großes Potenzial.

Deshalb und weil sie auf höheren Stromverkauf hoffen, sind es insbesondere die großen Stromkonzerne, die derzeit für eine große Elektroautoallianz werben. Vattenfall, RWE und Eon unterstützen Pilotprojekte in Berlin und München, wo sie Versorgungsnetze zu Versuchszwecken aufbauen. Der Versorger EWE, das fünftgrößte Stromunternehmen in Deutschland, entwickelt zusammen mit dem Autozulieferer Karmann und der Universität Oldenburg ein eigenes Elektroauto zu Testzwecken - der erste Prototyp soll bereits Ende 2009 stehen.

Für Mathias Samson, im Bundesumweltministerium verantwortlich für Elektroautos, ist es trotz der sehr langfristigen Perspektive wichtig, Elektroautos zu fördern. Man müsse jetzt tätig werden, "um im Rennen zu bleiben", meint er. Insbesondere in China würden Elektroautos im großen Stil eingeführt. "Es wird der Tag kommen, wo in Peking nur noch Elektroautos fahren dürfen", sagt Samson. Wegen der extremen Umweltverschmutzung in China sei die Entwicklung eines sauberen Elektroautos dort viel dringender als in anderen Teilen der Welt.

In der Tat fördert die chinesische Regierung, ebenso wie Großbritannien und die USA, den Kauf eines Elektroautos mit über 5.000 Euro. Konsequenterweise kommt das wahrscheinlich erste Elektroauto, das in Großserie gebaut wird, auch von einem chinesischen Unternehmen. Der Batteriekonzern Build Your Dreams (BYD) kündigt für Ende des Jahres 2009 ein Elektroauto für unter 30.000 Euro an und bewirbt es in China bereits. Das Unternehmen hat berühmte Unterstützung: Der amerikanische Investmentguru Warren Buffett investierte 200 Millionen US-Dollar.

Auf Investitionen hofft auch Andreas Gutsch, Vorsitzender der Li-Tec. Denn Deutschland fördert alternative Autoantriebe mit 500 Millionen Euro aus dem zweiten Konjunkturpaket. Derzeit sind Förderaufträge zur Bewerbung ausgeschrieben, Li-Tec hofft auf 40 Millionen Euro. Bei seinem Besuch gibt Umweltminister Gabriel diesen Hoffnungen neue Nahrung, wenn er erklärt: "Ein Unternehmen wie Li-Tec ist von strategischer Bedeutung." Vorsitzender Gutsch fordert aber, Elektroautos auch anderweitig zu unterstützen. Der Bund könne beispielsweise besondere Fahrstreifen für Elektroautos deklarieren, oder Parkrechte vergeben.

Auch Energieprofessor Rehtanz schlägt vor, Elektroautos im Straßenverkehr mit Sonderrechten auszustatten, denn der Staat habe ein berechtigtes Interesse an Elektroautos, um Feinstaub und Lärm zu vermeiden. Zuschüsse zum Kauf von Elektroautos lehnt er aber ab. Eine solche Technologie müsse sich von selbst durchsetzen.

Zum Abschluss seines Besuches bei der Li-Tec darf Umweltminister Gabriel auch noch einmal Elektroauto fahren. Lautlos rauscht er um die Kurve und spricht von einem berauschenden Fahrgefühl. Eine Woche davor klang das noch ganz anders. Da funktionierte der Diensthybrid von Gabriel nicht - der Minister war verärgert und kam zu spät zum nächsten Termin, bei dem er den Zusammenhang zwischen Umwelt und Wirtschaft erklären sollte. Manchmal dauert alles etwas länger, als man denkt - so auch, bis die Mehrheit der Deutschen Elektroauto fährt.

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