piwik no script img

Fonds zum AKW-RückbauAtomgelder sollen in öffentliche Hand

Die Grünen wollen Lehren aus der Finanzkrise ziehen und regen die Bildung eines öffentlich-rechtlichen Fonds zur Beseitigung atomarer Altlasten an.

Das Geld für den Abriss von AKW soll nach Willen der Grünen der Bund verwalten.

BERLIN taz Angesichts der aktuellen Finanzkrise sprechen sich die Grünen und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) für einen öffentlich-rechtlichen Fonds zur Bewältigung atomarer Altlasten aus. Zur Finanzierung des Fonds sollen die Rückstellungen herangezogen werden, die die großen Stromkonzerne bislang für den Abriss von Atomkraftwerken und die Endlagerung der radioaktiven Abfälle in ihren Bilanzen bilden. "Sollte ein Unternehmen in die Insolvenz gehen, sind die Rückstellungen weg, und der Steuerzahler wird wie in der Finanzkrise herangezogen", warnte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake am Mittwoch in Berlin. Ein öffentlich-rechtlicher Fonds stelle sicher, dass die Mittel tatsächlich verfügbar seien, wenn sie benötigt werden. Das aktuelle Niveau der Rückstellungen, die den Energiekonzernen Steuervorteile und eine enorme Marktmacht verleihen, bezifferte Baake auf 25 bis 30 Milliarden Euro.

Auch Grünen-Chef Reinhard Bütikofer regte an, über die Bildung eines solchen Fonds ernsthaft nachzudenken. Seit dem Beschluss der rot-grünen Bundesregierung über den Atomausstieg im Jahr 2000 gebe es ohnehin neue Argumente für die Atomkraftgegner. Angesichts der dramatischen Ereignisse im Versuchsendlager Asse stelle sich auch die Endlagerfrage dringlich. Zudem gebe es kein Konzept für den Schutz von Atomkraftwerken vor Terroranschlägen, wie sie am 11. September 2001 verübt worden seien.

DUH-Geschäftsführer Baake forderte deshalb, die sieben ältesten Atomkraftwerke, die gegen den gezielten Absturz von Verkehrsflugzeugen nicht geschützt seien, so schnell wie möglich zu schließen. Die nicht in Anspruch genommenen Reststrommengen könnten die Betreiber auf jüngere Reaktoren übertragen.

Zudem behinderten bestehende Atomkraftwerke den Ausbau erneuerbarer Energien, so Baake. Deren Anteil an der Energieversorgung liege derzeit bei 15 Prozent. Wenn er wie geplant auf 30 bis 35 Prozent steigen solle, würden mehr Kraftwerke benötigt, die je nach Bedarf hoch- oder heruntergefahren werden könnten. Dafür seien Gaskraftwerke geeignet, Atom- und große Kohlekraftwerke hingegen nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

7 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • EA
    Euklides Al-Biruni

    @ j.r.: Mein Eidruck ist ein anderer, nämlich dass einfach bisher wirklich viel zu sehr nur auf die westeuropäischen Länder geblickt wird.

     

    Eines von vielen Indizien hierfür: Auf einer offiziellen dänischen Seite zu Windenergie, auf der ich neulich war, war noch eine Karte aus den 1980er Jahren (evtl. hat sich ja seitdem der Wind nicht viel geändert, aber) darauf waren sämtliche früheren Warschauer-Pakt-Länder farblos (oder grau), und nur in die westlichen waren in der Karte mehrfarbig verschiedene Grade bzgl. Windkraftpotenzial markiert.

     

    Die Hinweise auf dieses Defizit finde ich daher völlig berechtigt. Hinzu kommt, dass tatsächlich aufgrund der de facto existierenden globalen Wirtschaftslage - wie ungerecht man sie auch immer findet - tatsächlich in ganz Osteuropa Windräder oder Solaranlagen sehr viel billiger herzustellen sind (vorausgesetzt dort würden etsprechend Leute dazu ausgebildet und Produktionsanlagen errichtet), und zwar auch, wenn die Leute dort für ihr jew. Land überdurchschnittliche Löhne bekämen.

     

    Da es oft heißt, in Deutschland etc. komme man mit der Produktion gar nicht hinterher, und es sei ja außerdem ach so wahnsinnig teuer (weil bekanntlich notwendige Bundeswehr-Sicherung von AKWs vor Terrorangriffen, 1 Mio Jahre Mülllagerung, GAU Risiken etc. nicht mitkalkuliert werden),

    wäre es auch nicht einmal mit Arbeitsplatzverlusten im Westen verbunden, wenn

    z u s ä t z l i c h Osteuropa stärker miteinbezogen würde

     

    - davon ganz abgesehen, dass es für diese Länder selbst sowieso ebenso ratsam wäre, möglichst bald mit dem Umstieg auf EE zu beginnen (viel mehr als bisher), schon allein weil bekanntliche jedes KKW Quecksilber emittiert und jedes AKW radioaktiven Müll produziert und mit entsprechenden Unfallrisiken behaftet ist. Leider sind die Menschen dort nach meinen punktuellen Erfahrungen noch viel viel weniger über solche Dinge aufgeklärt, als z. B. in den meisten westlichen Ländern Europas (auch, weil die Atomlobby dort oft noch ziemlich direkt an die Zeiten vor 1989 anknüpft - Seilschaften - und das in den Schulen als sicher, sauber, selbstverständlich u.s.w. bis heute gelehrt wird (vielleicht ähnlich wie in Frakreich), und kritische Stimmen zu Atom- und Kohlekraftwerken bis heute dort kaum Lobbies haben - so mein Eindruck aus verschiedenen persönlichen Gesprächen mit Menschen aus Russland, Ukraine, Rumänien, Bulgarien, Tschechien und Ungarn - die sich gegenseitig meist nicht kannten und gewissermaßen unabhängig voneinander bemerkenswert übereinstimmendes dazu berichtet haben (Desinformiertheit der Leute etc.)

  • J
    j.r.

    Mir ist es etwas rätselhaft, warum hier in den Kommentaren lediglich so explizit auf Osteuropa verwiesen wird. In meiner Wahrnehmung erweckt das einen Anschein von >>Regenerative Energie juchhei -- aber bitte nicht bei mir

  • BW
    bernhard wagner

    Noch zu Strömungsturbinen (oder schwingende "Harfen") unter Wasser z.B. im Meer:

     

    Sie sollten natürlich weitgehend umweltfreundlich gebaut werden - und möglich wäre das! In jedem Falls sind sie besser, als

    z.B. mit großen Staumauern konstruierte Gezeitenkraftwerke in Flussmündungen, wie z.B. der Damm in der Severn Mündung, der westlich von Cardiff geplant (aber zum Glück noch nicht genehmigt) ist

    vgl. auch die Kritik von http://www.foei.org und http://www.wwf.org (jeweils dann evtl. speziell zur britischen Seite weitergehen), die ebenfalls Strömungsturbinen oder dergl. stattdessen an solchen Standorten befürworten.

  • UV
    Ulla Veith

    „Billiger“ Strom aus Kernenergie ist ein Ammenmärchen - Fakt sind 2 Euro pro Kilowattstunde

     

    Die Atomenergie steht ungerechtfertigt im Ruf günstigen Strom zu produzieren. In Wahrheit handelt es sich um eine Branche, bei der trotz Privatisierung in realsozialistischer Manier immer noch der Staat haftet, falls etwas schief geht. Die Befürworter der Kernenergie und damit eines Endlagers Gorleben behaupten oft, der Kernkraftstrom sei preiswerter im Vergleich zu anderen, insbesondere erneuerbaren Energien. Betriebswirtschaftlich trifft dies sicherlich zu. Da die Kernkraftwerke inzwischen wohl größtenteils abgeschrieben sein dürften, rechnet sich dies betriebswirtschaftlich sogar sehr gut. Bei der lediglich betriebswirtschaftlichen Rentabilitätsberechnung des Kernkraftstroms fehlen indes mehrere entscheidende Kostenblöcke, die als betriebs-externe Kosten für die Gesamtheit der deutschen Volkswirtschaft anfallen.

     

    Diese externen Kostenfaktoren bei der Erzeugung von Kernkraftstrom hat, übrigens schon unter der Regierung von Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, das damalige Bundeswirtschaftsministerium 1992 durch die renommierte Baseler PROGNOS AG berechnen lassen. Diese Studie der PROGNOS AG trägt den Titel: „Identifizierung und Internalisierung der externen Kosten der Energieversorgung.“ Aus ihr geht hervor, daß bei Berücksichtigung der externen Gesamtkosten der wirkliche für die deutsche Volkswirtschaft entstehende Preis einer Kilowattstunde Kernkraftstrom schon damals circa 4 DM betragen hat. Das wären heute circa 2 €.

     

    Die günstigen Produktionskosten für Ökostrom betragen bei Windkraftstrom 0,06 Euro pro Kilowattstunde. Der Höchstpreis für solaren Ökostrom beträgt inklusive 19 % Mehrwertsteuer aktuell 0,68 Euro. Wenn aber, volkswirtschaftlich gesehen, der Kernkraftstrom mindestens doppelt so viel kostet wie die erneuerbaren Energien, warum, in Himmels Namen, sollen wir, das deutsche Volk uns dann diese ganze entsetzliche Umweltproblematik (Tschernobyl!) der Kernenergie weiterhin „ans Bein binden“?! Man wird vielleicht einwenden, das Kind sei schon in den Brunnen gefallen, d.h. wir haben nun einmal Kernkraftwerke.

    Darauf antworten wir: errare humanum, perseverare diabolicum!

    Anders gesagt, und um das Bild von eben aufzunehmen: man hole das Kind doch endlich aus dem Brunnen!

     

    Das wird nicht von einer Sekunde auf die andere gehen, aber es muß gelten:

    So viel erneuerbare Energien, wie irgend möglich, und so wenig Kernenergie, wie unumgänglich notwendig. Es gibt auch grundlastfähige erneuerbare Energien, zum Beispiel Biomasse und Geothermie… Es gibt nicht nur Wind und Sonne.

     

    Wegen der Treibhausgefahr auf Kernkraft zu setzen, hieße den Beelzebub mit dem Teufel austreiben zu wollen. In 32 Jahren, die der Atomausstieg vorsieht, müßte eine Industrienation wie Deutschland doch in der Lage sein, diesen Strukturwandel hin zur dezentralen erneuerbaren Energieerzeugung zu bewältigen. Dadurch wäre Deutschland auch weniger verwundbar durch den Terrorismus.

     

    Jeder lange Weg beginnt nun einmal mit dem ersten Schritt, sprich mit dem ersten Kernkraftwerk, das abgeschaltet wird. Das würde ein Endlager, wo auch immer, zwar nicht überflüssig machen, aber das Entsorgungsproblem nicht unnötig noch mehr vergrößern und verschlimmern.

    Schadensbegrenzung ist angesagt.

  • BW
    bernhard wagner

    Ja, ich stimme Janos Harsanyi und Anne auch zu.

     

    Zu den davon finanzierbaren EE sollten übrigens auch Strömungsturbinen am Meeresgrund gehören.

     

    Diese sind eine bislang fast ungenutze Chance, riesige Mengen Strom zu gewinnen.

  • A
    Anne

    hello mister j. h. b.! i agree totally.

  • JH
    Janos Harsanyi Bartholdy

    The companies and every private person having earned money by that nuclear rubbish in the last decades, they are the ones who should pay the main part into such fonds.

     

    The EU should immedeately start programs cooperating with eastern Europe for cheap renewable energy,

    for example: In Hungaria, the more windy western half of the country, one could install more than 23000 wind power plants, each at least 2 megawatt power, and some smaller ones like: http://www.allsmallwindturbines.com

     

    Also in other countries like Russia, Poland etc. there could be built, in summary, hundreds of thousands of such turbines, including the Baltic Sea.

     

    The earlier the governments start, the earlier we can get rid of the coal and nuclear power plants.