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Folgenreicher UmweltschutzDer Fluch der sauberen Schiffe

Strengere Grenzwerte für Treibstoff könnten den Schiffsverkehr zu teuer machen, besagt eine Bremer Studie. Die unerwünschte Folge: Mehr LKWs auf den Straßen.

Nehmen künftig vielleicht die Autobahn: Lastwagen am Rostocker Fährkai. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die norddeutschen Industrie- und Handelskammern (IHK Nord) haben die EU-Kommission am Donnerstag davor gewarnt, die Abgasvorschriften für den Schiffsverkehr in der Ostsee zu stark zu verschärfen. "Ein Schwefel-Grenzwert von 0,1 Prozent führt zu erheblichen Verlagerungen von Ostsee-Verkehren zurück auf die Straße", sagte Wolfgang Hering, Vorsitzender der IHK Nord.

Die Kammern berufen sich dabei auf eine Studie des Bremer Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL), die bis zu 600.000 zusätzliche LKW-Fahrten pro Jahr prognostiziert. Das Institut schlägt eine mildere Regel vor, mit denen sich dieser Effekt zum großen Teil vermeiden lasse. Umweltverbände bewerteten den Vorstoß der IHK Nord als typischen Lobbyvorstoß.

Das, womit die Schiffe über die Meere tuckern, ist an Land längst verboten. Sie speisen ihre gewaltigen Motoren mit dem, was bei der Heizöl- und Benzin-Herstellung übrig bleibt: eine zähe Masse, die angewärmt werden muss, damit sie in die Kolben strömen kann, und die so viele Schadstoffe enthält, dass Kritiker von einer "Müllverbrennung auf See" sprechen.

Umweltschutz auf See

Marpol ist ein internationales Abkommen zum Meeresschutz. 2008 wurde es novelliert. Dabei wurden die Schadstoffgrenzwerte verschärft. Ist zurzeit 4,5 Prozent Schwefel im Schiffstreibstoff erlaubt, sollen es ab 2012 nur noch 3,5 Prozent sein und spätestens 2025 nur noch 0,5 Prozent.

Emission Control Areas (ECA) sind Gebiete, in denen strengere Grenzwerte gelten, insbesondere weil die Schadstoffe dort direkt Menschen schaden. Das gilt auch für die Nordsee.

Besonders problematisch ist das in küstennahen Gebieten, weshalb die Internationale Schifffahrtsorganisation IMO auf Bitten der EU die Ostsee als Emissionsüberwachungsgebiet insbesondere für Schwefel (Seca) ausgewiesen hat. Damit gelten schärfere Abgasregeln als anderswo. Ist heute noch auf der Ostsee ein Schwefelgehalt von einem Prozent im Treiböl zulässig, sollen es 2015 nur noch 0,1 Prozent sein.

In seiner für den Verband Deutscher Reeder und den Zentralverband der Deutschen Seehafenbetriebe erstellten Studie nimmt das ISL an, dass ein derart niedriger Abgaswert mit Schweröl "höchstwahrscheinlich" nicht zu erreichen sei. Das gehe nur mit Destillaten, die aber viel teurer seien. Ausgehend von Preisprognosen für Schweröl mit einem Prozent Schwefel und Destillaten mit 0,1 Prozent errechnete das Institut, um wie viel teurer der Schiffstransport nach den neuen Vorschriften würde und wie sich das auf die Nachfrage nach Verkehrsträgern auswirken würde.

Weil das ISL von einem überproportionalen Preisanstieg des hochwertigen Treibstoffs ausgeht, würde bei einer schwachen Preissteigerung für Treibstoffe neun Prozent des Containerverkehrs vom Schiff auf die Schiene verlagert. Bei einem starken Preisanstieg wären es 15 Prozent - 830.000 Container. Von den Lastwagen, die bisher auf Fähren die Ostsee überqueren, würden schlimmstenfalls 22 Prozent über die Straße tuckern. Das wären 600.000 zusätzliche LKW-Fuhren.

Um eine solche Verkehrsverlagerung zu vermeiden, schlägt das ISL einen Schwefelgrenzwert von 0,5 Prozent vor. Solch ein Treibstoff sei nicht wesentlich teurer als einer mit einem Prozent.

"Wir halten das für eine bestellte Lobbystudie", kommentiert Heiko Messerschmidt von der IG Metall Küste. "Einige Industrieverbände nutzen derzeit jede Möglichkeit, die Seca-Regelungen zu attackieren." Zusammen mit Umweltorganisationen und anderen Gewerkschaften hatte sich die IG Metall Küste bereits im Herbst gegen einen Vorstoß der Industrie bei der EU-Kommission gewandt. Die Industrie hatte vorgebracht, die Schwefelrichtlinie gefährde die Wettbewerbsfähigkeit der EU.

"Das ist eine typische sektorale Betrachtung", kritisiert Dietmar Oeliger vom Naturschutzbund (Nabu) den neuen Vorstoß. Jahrzehntelang habe sich in der Schifffahrt nichts verbessert. "Wenn die Schiffe nicht sauberer werden, fehlt ihnen die ökologische Berechtigung." Selbst bei einem Grenzwert von 0,5 Prozent würde der Schiffstreibstoff 500-mal mehr Schwefel enthalten als LKW-Diesel. Im übrigen werde die Abgasnorm für Laster 2014 weiter verschärft und auch dieser Sprit teurer. "Wir glauben nicht an eine Verkehrsverlagerung", sagt der Nabu-Mann.

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5 Kommentare

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  • EA
    Einer Ausderbranche

    "Müllverbrennung auf See" - das trifft es. Und das ist auch gut so.

    Die Idiotie am ganzen Verfahren der EU ist doch dass da einseitig der Brennstoff verteuert wird, anstatt vorzuschreiben was maximal am Schlot _rauskommen_ darf.

    Wenn man bedenkt wie gut moderne Abgasfilteranlagen arbeiten (und das auch schon auf Prototypen in der Seefahrt), wären diese doch die deutlich bessere Alternative.

    Aber dafür hat die Ölindustrie eine zu starke Lobby....

  • E
    Enginekiller

    Es gibt längst Schiffe, die komplett ohne Verbrennungsmotoren 25 Knoten machen und da es sie gibt, gehören Verbrennungsmotoren verboten.

  • M
    Matrose

    Einfache Rechnung

     

    Brennstoff mit 1% Schwefel 507 USD/t (aktuell 7.1.11 Rotterdam)

    Brennstoff mit 0,1 % Schwefel 776 USD/t

     

    Mehrkosten also ca. 270 USD/t

     

    Ein kleines Containerfeederschiff mit einem Tagesverbrauch von 25t, welches vom westlichen Eintritt in den englischen Kanal bis Hamburg und wieder zurückfährt und einen Verbrauch in dieser Zeit von 120t hat, hat Mehrkosten von 32.400 USD.

     

    Die Umstellung von 140° C heißem Schweröl auf kaltes Gasöl und wieder zurück wird zu technischen Problemen führen mit möglicher Konsequenz von Maschinenschäden und treibenden Schiffen.

     

    (Segel) Skysails im englischen Kanal/Nord/Ostsee ist Unsinn, Sinn macht das auf langen Strecken bei gleichbleibender Windrichtung als Hilfe, um ein paar Prozent Brennstoff einzusparen, aber nicht bei dichtbefahrenen "Autobahnen mit Querverkehr" wie z.B.dem englische Kanal.

     

    Den Schwefelgehalt im Schweröl auf 0,1% zu reduzieren ist tatsächlich irreal. Entsorungsprobleme wird es da keine geben. Schließlich lässt sich der Brennstoff mit "normalen" Schwefelgehalt ausserhalb der Sondergebiet noch bis auf lange Zeit verbrennen.

  • HD
    Hans Dampf

    „...damit sie in die Kolben strömen kann“ - geballte Technikkompetenz!

  • HL
    Hauke Laging

    Ohne Druck bewegt sich zumeist wenig. Und Druck macht erfinderisch. Ist der SkySails-Ansatz bereits in der Kalkulation enthalten? Irgendwann baut mal jemand ein Schiff mehr mehr als einem solchen "Segel", weil es sich lohnt.

     

    "Sie speisen ihre gewaltigen Motoren mit dem, was bei der Heizöl- und Benzin-Herstellung übrig bleibt" – Das Zeug löst sich ja nicht in Luft auf, wenn es plötzlich nicht mehr als Treibstoff verkauft werden kann. Wird die Mineralölindustrie immense Entsorgungskosten tragen wollen? Wohl kaum. Auch da wird also ökonomischer Druck aller Wahrscheinlichkeit nach technische Kreativität beflügeln.