Folgenreicher Richterspruch: EU-Urteil kassiert digitale Abgabe
Urheberrechtsabgaben auf Vervielfältigungsgeräte sind teilweise unrechtmäßig, urteilte nun der Gerichtshof der Europäischen Union. Vorausgegangen war ein Rechtsstreit in Spanien.
Ein in Spanien begonnener Rechtsstreit kann große Auswirkungen auf Teile des europäischen Urheberrechts haben. Am Donnerstag – nach mehr als zwei Jahren Rechtsweg - erklärte der Gerichtshof der Europäischen Union die in vielen Ländern Europas erhobenen Urheberrechtsabgaben auf digitale Vervielfältigungsgeräte in ihrer derzeitigen Form für teilweise illegal.
Der Gerichtshof gab damit den Klägern teilweise recht. Geklagt hatte der kleine Informatikladen Traxtore unweit der Universität von Barcelona gegen den mächtigen spanischen Autoren- und Verlegerverband (SGAE). Die gesetzlich vorgeschriebenen Abgaben an die SGAE auf Material, das für digitale Privatkopien verwendet werden kann, sei nicht rechtmäßig, so die Klage. Schließlich enthalten nicht alle Kopien urheberrechtlich geschützte Werke Dritter, lautete die Begründung.
„Die unterschiedslose Anwendung der Abgabe für Privatkopien auf Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung, die nicht privaten Nutzern überlassen werden und eindeutig anderen Verwendungen als der Anfertigung von Privatkopien vorbehalten sind“, sei mit den entsprechenden europäischen Richtlinien nicht vereinbar, heißt es im Urteil.
„Ich kann es immer noch nicht glauben“, erklärte am Donnerstag eine der Besitzerinnen des Traxtores, Ana María Méndez. Für sie ging es bei der Klage schlicht ums Überleben ihres Geschäftes. Die SGAE hatte ihr vor mehr als zwei Jahren eine Rechnung über 48.000 Euro zugestellt. Es handelte sich um die Abgaben für CD- und DvD-Rohlinge, Aufnahmegeräte, CD-Brenner, MP3-Player sowie USB-Sticks und externe Festplatten, die bei ihr über die Theke gegangen waren. Nach längeren Verhandlungen senkte der Autoren- und Verlegerverband den Betrag auf 16.000 Euro. Doch auch das hätte Traxtore empfindlich getroffen.
Grundlage für die Abgabe ist ein Gesetz zum Schutze des geistigen Eigentums aus dem Jahr 1987. 2006 wurden die Abgaben auf Material für die digitale Vervielfältigung ausgeweitet. Seither reist die Kritik an der Maßnahme nicht ab, und das obwohl die Abgaben zu den niedrigsten in der Europäischen Union zählen.
Das Urteil aus Luxemburg ist ein herber Schlag für die SGAE und mehrere kleinere Verbände, die über die das Urheberrecht wachen. Ein Teil der spanische Wirtschaftspresse macht die Rechnung: Da das Urteil Unternehmen, Verbände und Verwaltung von der Zahlung der von den Richtern als „unterschiedslos“ angesehenen Abgaben befreit, weil sie normalerweise selbstproduzierte Inhalte speichern, verlieren die Verbände rund 60 Prozent der Einnahmen von bisher jährlich 110 Millionen Euro aus den Abgaben auf digitales Material.
„Auch wenn jeder einzeln klagen muss, können die Betroffenen bis zu 500 Millionen Euro einfordern“, erklärt der Anwalt der Traxtore-Besitzer Josep Jover. So hoch seien die unrechtmäßig kassierten Abgaben in knapp fünf Jahren. Nur Privatkunden werden auch künftig die Abgaben tragen müssen, egal was sie mit dem erworbenen Material tatsächlich vorhaben. Denn „allein die technische Fähigkeit dieser Anlagen oder dieser Geräte, Kopien zu fertigen“ reiche aus, „um die Anwendung der Abgabe für Privatkopien zu rechtfertigen, sofern diese Anlagen oder Geräte natürlichen Personen als privaten Nutzern überlassen worden sind“, so das Urteil.
Die Verbände verbuchen diesen Punkt als Erfolg für sich. „Wir werden nach Alternativen suchen“, kündigte Kulturministerin Ángeles González-Sinde nur wenige Stunden nach der Urteilsverkündigung an. So mancher Kommentator befürchtete, dass González-Sinde, die einst der Film-Akademie vorstand, jetzt die Abgaben für Privatkunden erhöhen könnte, um die Verluste auszugleichen.
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