Folgen des westlichen Boykottts: Iran baut Handel mit Osten aus
Westliche Konzerne geben den Iranern wegen des Atomkonflikts einen Korb - China und Russland freuts: Die Länder investieren kräftig in der Islamischen Republik.
Die internationale Gemeinschaft hat laut dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad akzeptiert, dass sein Land in der Anreicherungsanlage Natans über bis zu 6.000 Zentrifugen verfügt. Staatliche Medien zitierten den Präsidenten am Samstag mit den Worten, die fünf Vetomächte des UN-Sicherheitsrates und Deutschland hätten klargemacht, dass der Betrieb von 5.000 bis 6.000 dieser Zentrifugen für sie kein Problem sei. Etwa 5.000 Zentrifugen seien derzeit funktionstüchtig, sagte Ahmadinedschad. Die Internationale Atomenergiebehörde geht von etwa 3.000 bis 3.500 einsatzbereiten Zentrifugen aus. Derartige Geräte sind für die Anreicherung von Uran erforderlich. Hoch angereichertes Uran ist Voraussetzung für den Bau von Atombomben.
BERLIN taz Firmen aus dem Westen schränken wegen des Konflikts um das iranische Atomprogramm ihr Engagement in der Islamischen Republik ein - für China und Russland ist das eine Chance: Sie bauen den Handel mit den Iranern aus. Das Land steht im Verdacht, Atombomben bauen zu wollen.
Der französische Ölkonzern Total legte seine Beteiligung an einem wichtigen Erdgasprojekt im Iran auf Eis. Das politische Risiko sei derzeit zu hoch, sagte Unternehmenschef Christophe de Margerie der Financial Times. "Die Leute würden sagen: Total macht für Geld alles." Eine Sprecherin erklärte jedoch später, Total werde die Gespräche über die Erschließung von Teilen des Gasfelds South Pars weiterführen. Noch sei keine endgültige Entscheidung gefallen. Doch eine Investition sei derzeit wegen des politischen Klimas nicht möglich. "Es gibt Zeiten, in denen man nicht investieren kann, und derzeit wäre kein guter Moment für Investitionen." Der iranische Ölminister Gholamhossein Nosari betonte, sein Land werde die Erschließung von South Pars mit oder ohne Total fortsetzen.
Wenige Wochen vor Total war der britisch-niederländische Ölkonzern Royal Dutch Shell aus einem Gasprojekt ausgestiegen. Eine Sprecherin des weltweit zweitgrößten Ölkonzerns erklärte, Shell werde sich aus der Erschließung des South-Pars-Gasfelds zurückziehen. Einen konkreten Grund nannte sie nicht. US-Kongressabgeordnete hatten Shell aber wiederholt aufgefordert, dem Projekt den Rücken zu kehren. Shell und die spanische Repsol hatten 2002 mit dem staatlichen iranischen Ölförderer Nioc eine Absichtserklärung unterzeichnet, das Projekt weiter voranzutreiben.
Ungeachtet des Rückzugs europäischer Ölfirmen und des Drucks aus Washington gegen ausländische Firmen haben sich die US-Exporte in den Iran seit der Amtszeit von Präsident George W. Bush mehr als verzehnfacht. Nach Regierungsangaben lieferten die USA seit 2001 Waren im Wert von mehr als 546 Millionen Dollar Richtung Teheran, darunter auch Rüstungsgüter.
Demgegenüber sind vor allem Investitionen der EU-Länder in den letzten Jahren merklich zurückgegangen. Diese Gelegenheit lassen sich Russland und ostasiatische Staaten nicht entgehen: Unmittelbar nach dem Ausstieg von Total schlossen Gazprom und Nioc einen Vertrag über Erdöl- und Gasförderung. Gazprom-Chef Alexej Miller hatte sich zuvor mit Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad getroffen und die Bereitschaft seines Konzerns betont, Iran bei der Öl- und Gasförderung zu unterstützen.
China ist bereits an mehreren Projekten im Bereich der iranischen Ölindustrie beteiligt. Über ein Abkommen zur Durchführung von mehreren Projekten im Werte von insgesamt 100 Milliarden Dollar wird noch verhandelt. Indien kündigte Mitte Juni an, trotz des Drucks aus den USA ein seit langem geplantes Abkommen mit dem Iran und Pakistan über eine Gaspipeline zu unterzeichnen. Geplant ist eine 2.600 Kilometer lange Pipeline im Wert von 7,5 Milliarden Dollar.
Dieser Trend deckt sich mit der von der Regierung von Präsident Mahmud Ahmadinedschad schon nach seinem Amtsantritt angekündigten Absicht, die iranische Wirtschaft von West nach Ost zu orientieren. Dieser Plan beschleunigte sich im Zuge der Sanktionen, die der UN-Sicherheitsrat verschärfte.
Problematisch ist dabei nur, dass die iranische Wirtschaft traditionell eng mit der des Westens verbunden ist. Zudem haben die Sanktionen und die unsichere politische Lage zur massiven Kapitalflucht aus dem Land geführt. Viele einheimische Unternehmen ziehen es vor, ihre Geschäfte mit dem Westen in den benachbarten Golfstaaten fortzuführen. Ob die Radikalen unter Ahmadinedschad trotz dieses Verlustes den Ostkurs fortsetzen werden, hängt nicht zuletzt von dem Ausgang der Atomverhandlungen ab. BAHMAN NIRUMAND
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