Folgen des Blackwater-Skandals: Kabul will Sicherheitsfirmen verbieten
Erste private Sicherheitsunternehmen ohne Lizenz wurden bereits geschlossen. Viele weitere beschäftigen die Milizen von Warlords und tragen selbst zur Unsicherheit bei.
Die afghanische Regierung geht zur Zeit gegen private Sicherheitsfirmen vor. Mindestens neun Firmen - acht afghanische und eine britische, die alle ohne Lizenz operierten - sind seit Ende Oktober nach Polizeirazzien in Kabul geschlossen worden. Dabei wurden hunderte Waffen sichergestellt und Dutzende Personen vorübergehend festgenommen.
Laut Siamak Harawi, Sprecher von Staatspräsident Hamid Karsai, sollen langfristig alle Firmen in diesem Sektor geschlossen werden. Denn laut Verfassung "hat nur die afghanische Regierung das Recht auf den Besitz und Umgang mit Waffen, so dass private Firmen gegen die Verfassung verstoßen," sagte Harawi.
Solange Militär und Polizei noch aufgebaut würden, sollten laut Harawi für eine Übergangszeit noch eine "Handvoll" privater Sicherheitsfirmen operieren dürfen, vor allem um internationale Organisationen und UN-Einrichtungen zu schützen. Langfristig sollten diese Firmen aber durch staatliche Sicherheitsorgane ersetzt werden. Viele Botschaften, UN-Büros, Hilfsorganisationen und Privatfirmen werden in Afghanistan von privaten Sicherheitsfirmen bewacht.
Seit im September Angehörige der US-Sicherheitsfirma Blackwater des Mordes an 17 Zivilisten in der irakischen Hauptstadt Bagdad beschuldigt wurden, wird diese Form modernen Söldnertums auch in Afghanistan offiziell kritisch gesehen. Dabei geht es am Hindukusch bisher nicht darum, dass Mitarbeiter dieser Firmen wie im Irak wegen Immunität nicht für Menschenrechtsverletzungen belangt werden können. In Afghanistan war es bisherher so, dass die bewaffneten Mitarbeiter selbst ein Unsicherheitspotential darstelen und sogar in kriminelle Aktivitäten bis hin zu Geiselnahmen, Banküberfällen und Mord verwickelt sein sollen.
Laut einer kürzlich in Kabul vorgestellten Studie des Schweizer Friedensforschungsinstituts Swisspeace operieren in Afghanistan etwa 90 private Sicherheitsfirmen. Die Zahl ihrer bewaffneten Mitarbeiter wird auf 18.500 bis 28.000 geschätzt. Das entspricht mindestens der Hälfte der afghanischen Streitkräfte. Die meisten Firmen seien afghanisch, amerikanisch oder britisch und würden von ehemaligen Militärs geleitet.
Zu den US-Firmen in Afghanistan gehört neben Blackwater auch DynCorp. Letztere bildet im Auftrag Washingtons afghanische Polizisten aus, stellte sogar zeitweilig die Leibwächter für Präsident Karsai und verlor schon Mitarbeiter bei einem Selbstmordanschlag in Kabul, der genau dieser Firma galt.
Laut Swisspeace haben nur 35 eine Lizenz. Doch bisher habe die Regierung selbst versäumt, den Sektor zu regulieren und zu kontrollieren. "Hier herrscht Wildwuchs," räumt Hassan Atmar ein, der im Kabuler Innenministerium den Polizeiaufbau leitet. "Die privaten Sicherheitsfirmen sind keine Konkurrenz zur Polizei, aber wir wollen wissen, wer das ist und wer wieviel Waffen hat."
Laut Swisspeace könnten viele Afghanen nicht zwischen den staatlichen Sicherheitskräften, den im Lande operierenden internationalen Truppen und den bewaffneten Kräften der privaten Sicherheitsfirmen unterscheiden. Letztere würden oft in "Cowboy-Manier" auftreten und manchmal wie eine Mafia operieren. Das Auftreten vieler Bewaffneter, oft von konkurrierenden Firmen, würde das Unsicherheitsgefühl der Bevölkerung verstärken. Dies umso mehr, als es sich vielfach nicht um professionelle Wächter handelt, sondern vielfach um ehemalige Milizionäre.
Medienberichten zufolge werden zum Beispiel kanadische Soldaten der internationalen Schutztruppe Isaf in der Provinz Kandahar von Mitarbeitern einer privater Sicherheitsfirma bewacht. Diese wird von einem dort aktiven früheren Warlord geleitet, der seine Männer bisher erfolgreich der Entwaffnung entziehen konnte. Zwar bieten die Firmen ehemaligen Milizionären eine berufliche Zukunft, doch ermöglichen sie den Milizen auch das Überleben.
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