Folgen der Finanzkrise in Indien: "Die Armen werden vertrieben"
Die Finanzkrise verdeutliche die Probleme der armen Länder, sagt die Trägerin des Alternativen Nobelpreises Krishnammal Jagannathan.
geboren 1927 in Indien, hat 2008 den Alternativen Nobelpreis erhalten. Die Weggefährtin Gandhis berichtet am Donnerstag ab 19.30 Uhr im taz-Café über ihr Engagement für die Landlosen und Kleinbauern.
taz: Frau Jagannathan, wie wirkt sich die Finanzkrise auf die Ärmsten in Indien aus?
Krishnammal Jagannathan: Bisher gar nicht. Die Situation der Landlosen in Indien kann sich nämlich kaum noch verschlimmern: Sie kämpfen schon jetzt täglich um ihr Überleben.
Die Weltbank prognostiziert aber, dass durch die Finanzkrise weltweit 2 Millionen Babys zusätzlich verhungern werden.
Die Finanzkrise ist wie ein Scheinwerfer, sie wirft ein krasses Licht auf die eigentlichen Probleme, die schon jetzt vorhanden sind: Weltweit werden die Ärmsten systematisch von ihrem Land vertrieben - mit Hilfe der Regierungen, die ausländische Investoren anlocken. Auch in Indien geschieht das. In meinem Heimatstaat Tamil Nadu zum Beispiel haben die großen Landbesitzer fast die ganze Küste aufgekauft. Früher wurde dort das Grundnahrungsmittel Reis angebaut, jetzt werden dort Krabben für den Export gezüchtet.
Was erwarten Sie von der neuen Regierung Indiens, die im Mai gewählt wurde?
Nichts. Seit der Unabhängigkeit, also seit 62 Jahren, hat sich für die Armen überhaupt nichts geändert.
Sie haben daher die Lafti-Bewegung gegründet, die landlose Familien mit kleinen Stücken Ackerland versorgt. Treiben Sie nicht, indem Sie Land aufkaufen, die Preise für Ackerland in die Höhe?
Die Landpreise werden doch nicht durch uns, sondern durch den Druck der internationalen Konzerne nach oben getrieben. Die indische Regierung sollte alle großen Ländereien sofort auflösen. Das ergibt sich übrigens auch aus dem UN-Weltagrarbericht, der im vergangenen Jahr erschienen ist und festgestellt hat: Eine weltweite Ernährungssicherheit können nur Kleinbauern garantieren.
Die deutsche Regierung hat sich dieser Sicht aber nicht angeschlossen und den Bericht nicht unterschrieben.
Das ist unverständlich. Denn Nahrung ist ein Menschenrecht - und Sie feiern hier doch gerade 60 Jahre Grundgesetz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!