: Förder- und Regelschüler
betr.: „Kosmetischer Abschluss“, taz vom 4. 3. 2009
Der Artikel lässt den schönen Traum aufleben, dass bei entsprechender Förderung (und wenn sich nur genügend Pädagogen, Sozialarbeiter und Wissenschaftler seiner annehmen) jeder alles schaffen kann. Als Lehrer einer integrativen Grundschule erlebe ich jeden Tag, wie die Kinder mit Förderbedarf sich engagiert und mit Freude ihren Aufgaben stellen, die Ergebnisse ihrer „Regel“-Mitschüler dabei dennoch nie erreichen, weder bei intensiver Eins-zu-eins-Betreuung durch Sonderpädagogen noch durch begleitende Therapien.
Diese hart erarbeiteten Leistungen sollten wir würdigen, beispielweise durch ein Zertifikat, was eben nicht mit einem Schulabbruch gleichgesetzt werden darf. Eine Teilhabe am Arbeitsprozess kann es für viele ehemalige Förderschüler nur geben, wenn die Gesellschaft bereit ist, einen entsprechenden Arbeitsmarkt zu alimentieren. Denn die Anforderungen, die die globalisierte Welt und die Informationsgesellschaft stellen, können die meisten LB-Förderschüler nicht erfüllen, egal, wo der Abschluss erworben wurde.
Ihre Auslegung der Anforderungen der UN-Konvention ist schon fast boshaft: Menschen mit Behinderung werden keinesfalls vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen, im Gegenteil leisten wir uns ein differenziertes und hoch qualifiziertes System für individualisierte Förderung, je nach Art und Schwere der Behinderung an integrativen Schulen oder an Förderschulen. Eine neue Qualität würde ein gesellschaftliches Umdenken mit sich bringen, das den Wert der Menschen nicht länger an ihrem Nutzen für den Produktionsprozess misst. GÜNTER GALLANDI, Essen