Focus spannt sich vor Koch-Karren: Hessische Sturmgeschütze
In Mainz tagt der ZDF-Fernsehrat, der auch über die Causa Brender beraten wird. Die entwickelt sich zur Farce: Plötzlich wird der Führungsstil des Chefredakteurs bemängelt.
Der Mann muss weg - drunter macht es Hessens CDU-Ministerpräsident Roland Koch nicht. Allein weiß man beim ZDF nicht mehr so genau, wen Koch alles meint: nur den vermeintlich roten Chefredakteur Nikolaus Brender oder auch gleich den eigentlich schwarzen ZDF-Intendanten Markus Schächter, der sich der Union offenbar nicht unterwürfig genug verhält. Das Vorgehen des Situationspolitikers Koch wird immer mehr zur miesen Situationskomik.
Ab heute tagt der ZDF-Fernsehrat, in dem der ZDF-Verwaltungsrat Koch Freund wie Feind mit seiner schlichten Argumentation in Sachen Brender vergrätzt hat: Der liefere keine Qualität, die Quoten der Nachrichten und Infoformate stimmten nicht, hatte Koch in den vergangenen Wochen mehrfach als Hauptbegründung für die Forderung genannt, den Vertrag des 60-jährigen Brender nicht über 2010 hinaus zu verlängern. Und so prompt Protest auch aus dem Unions-Freundeskreis des Gremiums geerntet. Denn für die Programmqualität und etwaige Beanstandungen ist nun mal der Fernsehrat zuständig. "Es ist an uns, die redaktionelle Arbeit inhaltlich zu beurteilen", sagt ein CDU-nahes Mitglied: "Nach meiner Kenntnis hat Herr Brender hier einen guten Job gemacht."
Eine neue Argumentation musste also dringend her, und wie schon zu Beginn des Tauziehens war es der Focus, der sich gern dafür hergab. Allein die neuen Enthüllungen aus dem ZDF-Stadl taugen bestenfalls zur Farce. Denn jetzt ist es nicht mehr so sehr die inhaltliche Qualität des ZDF-Oberjournalisten, sondern eben der Führungsstil des Mannes mit dem markanten Schnauzbart: Hierfür wäre tatsächlich der Verwaltungsrat zuständig. Und via Focus-Online wird nun lanciert, im ZDF hätten sich dieser Tage "Hauptredaktionsleiter und weitere Führungskräfte" versammelt, um in einer "Tachelesrunde" Brenders Managementqualitäten ein "derart schlechtes Zeugnis" auszustellen, "dass hinterher von einem Scherbengericht die Rede war". Namen und Belege stehen nicht darin, dafür das schöne Wörtchen "offenbar".
Genauso knallhart sind die weiteren Punkte belegt: "Despotischer Stil und chaotische Arbeitsweise - so seien sinngemäß die Vorwürfe gewesen", berichtet das üblicherweise unionslastige Magazin: "Fast 20 Minuten lang habe allein der Chef des Hauptstadtstudios, Peter Frey, mit Brenders Führungsstil und Arbeitsbilanz abgerechnet, heißt es in Mainz." Frey gilt als Kochs Favorit für die Brender-Nachfolge, weil dann ein "schwarzer" wie Peter Hahne in dem für die Bundespartei wie -kanzlerin so wichtigen Berliner Job nachfolgen könnte. Auf so subtile Unterstellungen könnte Frey nur mit dem Media-Markt-Motto "Ich bin doch nicht blöd" reagieren, doch der Mann äußert sich derzeit überhaupt nicht zum ZDF-Personalkarussell. Das aber nützt ihm nichts: Dank der hessischen Sturmgeschütze ist auch Frey schwer beschädigt.
Die neue Strategie aus dem Hause Koch schadet auch dem Intendanten ganz direkt. Denn der will Brenders Vertrag ja verlängern, am 27. März wird der ZDF-Verwaltungsrat darüber abstimmen. Sollte nun aber Brender nicht nur Qualitätsmängel haben (wovon der zuständige Fernsehrat nichts merkt), sondern auch als Redaktionsleiter ein Versager sein (wovon dann aber offenbar der Intendant nichts mitkriegt), kann man ja gleich die gesamte ZDF-Spitze mit Ausnahme des sich mucksmäuschenstill verhaltenden unionsnahen Programmdirektors Thomas Bellut rausschmeißen, den renitenten Fernsehrat gleich mit - und das Zweite Deutsche Fernsehen einfach vom Verwaltungsrat führen lassen.
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