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Fluglärm der US-LuftwaffeEs knattert in Katterbach

Anders als beim brandenburgischen Truppenübungsplatz Wittstock blieben die Proteste gegen den Krach der 12. Heeresfliegerbrigade der US-Luftwaffe bisher ohne Erfolg.

Protest, der bislang kaum erhört wird: Demonstranten in Ansbach. Bild: philipp gessler

ANSBACH taz | Niemand sagt "Knatterbach". Das läge auf der Hand, denn die Hubschrauber der 12. Heeresfliegerbrigade der US-Luftwaffe im mittelfränkischen Katterbach knattern vor allem nachts so laut über das 40-Seelen-Dorf, dass nur bei geschlossenem Fenster an Schlaf zu denken ist. Wenn überhaupt. Aber die Macht der Gewohnheit ist stark.

Das mit den Hubschraubern, erklärt Hans Spitzbart, "ist genauso, wie es jeden Tag Tag und Nacht wird - is net zu ändern". Der 45-jährige Katterbacher ist Karrosseriebauer und steht mit öligen Händen in seiner Werkstatt, einer ehemaligen Scheune, vor der offenen Motorhaube eines blauen Rolls Royce. "Fenster zu, Türen zu - und ich hör nix mehr!", so gelingt ihm das Schlafen bei Hubschrauberkrach. Die Nachbarn, die meinten, sie hörten den Lärm gar nicht mehr, hätten schon "einen Schlag weg", meint er. Seine Freundin Renate sagt: "Man muss halt laut sprechen, wenn man abends a weng zusammensitzt." Dagegen protestieren wolle er nicht, sagt Spitzbart in entwaffnender fränkischer Offenheit, "ich leb von den Amerikanern".

Katterbach und die Amerikaner, das ist derzeit keine gute Geschichte. Es ist, als sei der Boden verseucht von böser Vergangenheit. In Katterbach stand schon das NS-Kampffliegergeschwader 53. Dies war die "Legion Condor", die im Spanischen Bürgerkrieg half, die Republik zu Tode zu bomben. Die Brandenburger siegten dagegen jüngst per Gerichtsbeschluss über die Pläne für das Bombodrom, den Bombenabwurfplatz der Bundeswehr. Von solch einer Erfolgsgeschichte, einem Sieg der Zivilisten über das Militär, sind die 40.000 Bürgerinnen und Bürger von Ansbach, zu dem Katterbach gehört, noch weit entfernt.

Das ahnt man im Fränkischen. Der Kampf gegen das Bombodrom habe 17 Jahre gedauert, unterstreicht Rainer Stache, Leiter des Rechtsreferats, im pittoresken Stadthaus von Ansbach. Rechtlich dürften die Amerikaner im Juni und Juli bis 2 Uhr nachts und im Mai und August bis 1.30 Uhr Nachtflüge trainieren, auch über dem dicht besiedelten Gebiet von Ansbach. Bis zu 50 Flüge zählten manche Ortsteile in der Nacht, viele davon erst nach 22 Uhr, wenn es dunkel sei. "Die Amerikaner haben einen gesetzlichen Auftrag", sagt der 64-jährige Stache, "und die deutschen Gesetze stehen ihnen zur Seite." Alles andere zu behaupten sei "Augenwischerei". Hilflos hat der Stadtrat von Ansbach einstimmig beschlossen, auf eine Änderung einschlägiger Bundesgesetze hinzuwirken. Das aber sei für eine Kommune "ein sehr weiter Weg", räumt Stache ein, "das werde ich nicht mehr erleben, zumindest dienstlich."

Der seit Anfang des Jahres neue Kommandant der Hubschrauberstaffel halte sich kaum mehr an das traditionelle "Gentlemens Agreement" mit der Stadt, möglichst nicht über bewohntes Gebiet und auch nachts nur wenig zu fliegen, sagt Stache. Der Kommandant rede bloß von einem "gut nachbarschaftlichen Verhältnis" mit den Ansbachern. Das aber seien "Worthülsen, die uns nicht weiterbringen", sagt Stache, aus der diplomatischen Sprache rutschend. Alles sei "zähflüssig und langwierig". Seit Januar gab es mehr als 560 Bürgerbeschwerden wegen des Lärms. Die Nerven sind angespannt in dem schmucken Ort. Oder ist es Lethargie?

In die Aktion sind die beiden Meyers übergangen, Boris-André und Hansjörg. Die beiden sind nicht verwandt - und könnten unterschiedlicher kaum sein. Da Boris-André, ein 27-jähriger Hüne mit Pferdeschwanz, braunem Kinnbart und T-Shirt. Dort Hansjörg, ein 73-jähriger Pfarrer im Ruhestand, in zugeknöpftem beigem Hemd, irgendwie zeitlosem Pullunder und mit weißen Haaren. Doch beide sind die Köpfe der Bürgerinitiative "Etz langts!", was Mittelfränkisch für "Jetzt reicht's!" ist. Hansjörg ist Vorsitzender der Bürgerinitiative, die sich "gegen den von oben diktierten Ausbau Katterbachs sowie Hubschrauberlärm, Luftverpestung und Umweltzerstörung" wendet. Boris-André ist ihr Pressesprecher und für die Offene Linke im Stadtrat.

Wie jeden Mittwoch um 17 Uhr treffen sich die beiden Aktivisten seit April mit rund 30 anderen Engagierten zu einer Mahnwache in Katterbach an der B 14, die mitten durch das Kasernenareal geht. Hansjörg Meyer hat sich, friedensengagiert und demoerfahren seit Jahrzehnten, einen Klappstuhl mitgebracht, Boris-André läuft mit einer großen, rot-weißen Frankenfahne herum - warum auch immer. Jemand hat eine Friedensfahne mitgebracht, Transparente mit Sprüchen wie "No more war from Germany" und "Wer schweigt, macht sich mitschuldig" sind zu sehen. Den US-Soldaten, die die Kaserne verlassen, werden Flugblätter in die Hand gedrückt. Der Titel: A Soldiers guide to what the hell is really going on here in Ansbach - Eine Leitlinie für Soldaten über das, was verdammt noch mal wirklich abgeht in Ansbach.

Alle Demonstranten haben eine Geschichte zum Fluglärm zu erzählen. Eine Frau aus Bad Windsheim beklagt: "Die Kinder finden keinen Schlaf mehr." Einer sagt, der hier stationierte Transporthelikopter "Chinook" verbrauche stündlich 1.600 Liter Benzin des Typs "JP-8", das als giftig gelte. Bei Flügen "rieselt das direkt runter". Eine Reiterin in gelbem Sommerkleid berichtet von der Landung eines Helikopters auf freiem Feld - da seien "die Pferde voll narrat worn".

Bei der ersten Mahnwache wurde eine Lokalreporterin von den Wachleuten der Kaserne bedrängt, ihre Fotos von der Demo vor der Kaserne zu löschen. Erst die herbeigeholte Polizei wies die Wachleute in die Schranken. Jetzt läuft ein junger US-Soldat in grau-weiß gefleckter Tarnuniform an den Demonstranten vorbei zur Bushaltestelle. Er war gerade 15 Monate im Irak - und bald ist er wieder dort. Er sagt, die Demos belasteten ihn nicht. Dass die Flüge zu laut seien, hält er aber für übertrieben. Schließlich vermeide man es, über Häuser zu fliegen. Auch nach mehr als einer Woche sah sich die Kasernenleitung nicht in der Lage, der taz eine Stellungnahme zu dem Fluglärmkonflikt zu liefern.

Ähnlich erfolgreich ist Werner Kopper. An seinem Tisch unter der Markise zeigt der Rentner seinen umfangreichen Schriftverkehr mit diversen Behörden in Sachen Hubschrauberlärm. Er wohnt nahe einer Bahnlinie. Aber was ihn vor allem stört, sind die Helikopter der US-Armee, deren Lärm er mithilfe eines Dezibelmessgeräts und langer Computerlisten akribisch festhält. Das ehemalige CSU-Mitglied hat der Lärm widerspenstig gemacht. "Die zwingen einen ja dazu, nach links zu schwenken", sagt er mit einem Lachen.

Ein Exparteifreund Koppers ist der CSU-Landtagsabgeordnete Klaus Dieter Breitschwert, der so etwas wie die graue Eminenz der Ansbacher Politik ist. Gemeinsam mit dem abgewählten SPD-Bürgermeister Felber dealte er mit den früheren US-Kommandeuren in Katterbach die deutsch-amerikanischen Angelegenheiten vor Ort. Bis Ruhe war in Ansbach. In seinem Autohaus - Breitschwert ist zugleich Chef des Kfz-Gewerbes Bayerns - verteidigt er Pläne für ein millionenschweres Neubaugebiet der Amerikaner auf dem sogenannten Urlas. Er sei ja auch nicht für diese Nachtflüge, betont er, aber die US-Soldaten brauchten doch moderne Unterkünfte. "Das ist eine Frage der Mitmenschlichkeit." Zudem: "Wenn die Amerikaner morgen abziehen, haben wir ein Strukturproblem."

Das ist nicht unbedingt das Problem von Norbert Müller. Der 38-jährige AOK-Angestellte ist in Obereichenbach aufgewachsen; vor ein paar Jahren hat er sich in einem Neubaugebiet des Ansbacher Stadtteils ein Einfamilienhaus gebaut. Wenn die Hubschrauber nicht wären, sagt er, "hätten wir hier das Paradies". Stattdessen ahnt man, wie es wohl in Sadr City sein könnte. Nachts fliegen die US-Hubschrauber um Obereichenbach herum, als sei Müllers gepflegter Rasen der Drehpunkt dieser "Platzrunden". "Das ist unerträglich", sagt er. Er lässt den Reporter sogar in sein Schlafzimmer, um zu zeigen, dass der Lärm auch bei geschlossenen Fenstern moderner Bauart ein Einschlafen fast unmöglich macht. Die Ansbacher waren kurzfristig Kriegsgewinnler. Solange die US-Hubschrauber im Irak waren, blieb es relativ ruhig hier.

Timothy Green ist die Aufregung über den Lärm unverständlich. Der 29-jährige Brite ist nahe London beim Flughafen Heathrow aufgewachsen. Er verkauft in einer Baracke mitten in Katterbach "Bavarian Motor Cars" an die US-Soldaten - und spricht fast nur Englisch. Green wohnt auf der anderen Straßenseite. "Ich bin glücklich", sagt er, "ich höre den Lärm nicht einmal. Ich habe mich daran gewöhnt." Die Amerikaner, sagt er höflich, seien hier, um dies Land zu beschützen. Und sie brächten doch auch viel für die hiesige Wirtschaft.

Dieses Argument kann, einen Steinwurf entfernt, der Katterbacher Landwirt Herbert Sturm nur bedingt unterstützen. Der 51-Jährige ist in diesem Dorf geboren. Er meint: De facto stelle die US-Präsenz "keinen wirtschaftlichen Vorteil" dar. Denn wegen des Lärms "will doch niemand herbauen". Eine andere Katterbacherin bringt es in einer Nacht voller Hubschraubergeknatter auf der Straße so auf den Punkt: "Der Lärm ist unerträglich" - aber das gebe hier in Katterbach keiner zu. Es sei der "pure Wahnsinn". Sie muss laut reden, damit sie zu verstehen ist. "Kein Gedanke ans Einschlafen", sagt sie knapp. Und Widerstand der Dorfgemeinschaft gegen den Lärm? Fehlanzeige. "Das gibts bei uns net: a Dorfgemeinschaft", sagt sie bitter. Wer hier seine Wohnungen an die Amerikaner vermiete - "der wird nicht protestieren". Ihren Namen will die Katterbacherin nicht nennen, noch nicht mal ihr Alter. Man wüsste doch dann im Dorf sofort, wer das gesagt hat.

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