Flüchtlingspolitik in Niedersachsen: Frage ungelöst

Sind Abschiebungen ins Kosovo vertretbar? Nach fünf Tagen vor Ort kommen niedersächsische Landtagsabgeordnete da zu sehr unterschiedlichen Antworten.

Leben in Perspektivlosigkeit, sagt die Linkenabgeordnete Zimmermann: Jungs beim Müllsammeln. Bild: Die Linke

HANNOVER taz | Zurück von ihrer Delegationsreise ins Kosovo sind die Mitglieder des niedersächsischen Landtagsinnenausschusses – und uneins über ihr Fazit: SPD-, Grünen- und Linksfraktion bekräftigen – so wie der Flüchtlingsrat Niedersachsen und Pro Asyl – ihre Forderung nach einem Abschiebestopp insbesondere für Minderheiten wie Roma und Ashkali. Derweil rühmt man bei der CDU die Anstrengungen der kosovarischen Regierung.

Fünf Tage lang war die Delegation aus Abgeordneten, Vertretern von Kirchen und Initiativen wie dem Roma-Center Göttingen, Pro Asyl und dem Flüchtlingsrat vor Ort. Neben den kosovarischen Integrations- und Innenministerien gab es Treffen mit Hilfsorganisationen wie dem UNHCR oder der OSZE und Familien, die aus Niedersachsen abgeschoben worden waren. Und deren Lage sei „erschreckend“, sagte die Linksabgeordnete Pia Zimmermann am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Hannover.

Die achtköpfige Familie Meta etwa wurde vergangenen Dezember aus dem Landkreis Cuxhaven abgeschoben, kurz bevor die älteste Tochter dort ihren Schulabschluss machen konnte. Derzeit lebt sie beengt in einer Zweizimmerwohnung in Gjakovo – offen ist, wie lange noch: In zwei Monaten läuft die Miet-Unterstützung aus dem Integrationsfonds der kosovarischen Regierung aus. Und auch das so genannte Rückkehrprojekt Ura 2, das vier Länder – darunter Niedersachsen – und der Bund finanzieren, unterstützt nur im ersten halben Jahr: mit Maßnahmen wie 50 Euro Überbrückungsgeld pro Person oder einmalig 75 Euro für medizinische Versorgung.

Abschiebungen ins Kosovo, so Zimmermanns Fazit, seien Abschiebungen „in die Perspektivlosigkeit“. Unter der Hand sei der Delegation aus Niedersachsen, wo von den bundesweit über 8.000 ausreisepflichtigen Roma aus dem Kosovo rund 2.000 leben, auch von offizieller Seite eines klar gemacht worden: Man sei nicht in der Lage, weitere Flüchtlinge aufzunehmen.

Auch für die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat hat sich gezeigt, „wie fatal die Folgen der Abschiebung insbesondere für Familien aus den Minderheiten sind“: Sie berichtete von Diskriminierungen, Ausgrenzungen in Schulen, einer Arbeitslosigkeit von weit über 90 Prozent. „Wer sich ein Bild vor Ort gemacht hat, für den verbieten sich weitere Abschiebungen“, sagt auch Silke Lesemann von der SPD.

Anders klingen die CDU-Delegationsteilnehmer: Die Reise nicht „populistisch für die eigenen Zwecke auszuschlachten“, sondern wirken zu lassen, fordert etwa ihr innenpolitischer Sprecher Fritz Güntzler. Und spricht doch von einem „positiven Eindruck“ und dass „Rückkehr immer ein Neuanfang ist, der nicht allen leicht fällt“.

Pia Zimmermann will die Reise kommende Woche im Landtag zum Thema machen. Ihre Hoffnung, dort eine Lösung zu finden, sagt sie, sei allerdings geschwunden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.