Flüchtlinge: Gemeinsam gegen alles Fremde
In Neukölln organisiert die CDU die Wut auf ein geplantes Containerdorf für Asylbewerber – unter dem Beifall der NPD.
Erstmals seit der Wende macht eine demokratische Partei in Berlin Stimmung gegen eine Asylbewerberunterkunft: die CDU im Neuköllner Ortsteil Rudow. Dabei scheint ihr jedes Mittel recht zu sein, selbst Unterstützung durch die NPD.
Bislang ist mehr als fraglich, ob es eine solche Unterkunft in Rudow überhaupt geben wird. Aber weil Plätze für Asylbewerber äußerst knapp sind, suchen Senat und Bezirke derzeit neue Standorte – nicht nur leere Immobilien, sondern auch Grundstücke, wo „Fertigbauten wie Wohncontainer“ aufgestellt werden können, sagt Regina Kneiding, Sprecherin von Sozialsenator Mario Czaja (CDU).
Stehen könnten die Container nach dem Willen von Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) und Sozialstaatssekretär Michael Büge (CDU) auf einem Areal am Teltowkanal, wo 2014 eine Schule gebaut werden soll. Entschieden ist noch nichts, Bezirk und Senat prüfen, ob man die Container dort mit Wasser und Strom versorgen kann. Das besagt die Antwort des Bezirksamts auf eine Grünen-Anfrage.
Die Stimmung im Bezirk ist ambivalent: „Neukölln muss sich der Verantwortung stellen, Asylbewerber unterzubringen“, sagt Carola Scheibe-Köster, Grünen-Geschäftsführerin in Neukölln. Bisher seien lediglich 54 Asylsuchende im Bezirk untergebracht – in einem Obdachlosenheim. Aber, so Scheibe-Köster weiter: „Ich habe kein gutes Gefühl, Asylsuchende nach Rudow zu schicken, wo die NPD so stark ist.“ Das will der grüne Sozialstadtrat Bernd Szczepanski nicht gelten lassen, er sieht das Argument als „das falsche Signal zum Umgang mit Fremdenfeindlichkeit.“ Das Rudower Grundstück – „weitab von Verkehrsinfrastruktur und zwischen den Resten eines ehemaligen Zwangsarbeitslagers“ – halte er aber nicht für optimal. Flüchtlingsrat und Linke in Neukölln lehnen Containerunterkünfte prinzipiell ab. „Damit würde man der Mehrheitsbevölkerung signalisieren, Asylbewerber gehörten an den Rand der Gesellschaft“, sagt Martina Mauer vom Flüchtlingsrat.
Grüne niedergebrüllt
Die Rudower CDU lehnt den Standort aus anderen Gründen ab und lud in der vergangenen Woche zur Bürgerversammlung in Rudow. Gut 150 Leute kamen und ließen ihren Emotionen freien Lauf. „Die Versammlung war, gelinde gesagt, gruselig“, erinnert sich Carola Scheibe-Köster, die mit anderen Grünen als Beobachterin anwesend war. „Viele Besucher sahen ihre Freiheit gefährdet, wenn Flüchtlinge in ihrer dörflichen Idylle angesiedelt würden.“ Sätze seien gefallen wie: „Asylanten soll man aufs Tempelhofer Feld schicken“, und: „Wenn schon nach Rudow, dann in die Einflugschneise, damit sie schnell wieder abhauen.“ Als der Grüne André Schulze und Georg Classen vom Flüchtlingsrat um Verständnis für Flüchtlinge aus Bürgerkriegsstaaten warben, wurden sie nach eigenen Angaben niedergebrüllt.
Im Raum entdeckten die Grünen das NPD-Landesvorstandsmitglied Sebastian Thom und eine einstellige Zahl von Anhängern. Francisca Fackeldey von den Grünen sagt, sie habe den CDU-Abgeordneten Hans-Christian Hausmann gebeten, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen. „Die Antwort war, er verstehe mein Problem nicht. Die NPD sei eine zugelassene Partei.“
Hausmann stellt das anders dar: „Mich hat eine Frau angesprochen, es könnte eventuell ein NPDler im Saal sitzen. Das war mir zu vage.“ Die Grünen könnten jedenfalls „nicht eine ganze Bürgerversammlung diskreditieren, weil zwei Leute von der NPD drin saßen.“ Rassistische Stimmen habe er nicht gehört, so Hausmann. Der CDU gehe es darum, den Standort für den Schulneubau zu erhalten. „Die Stimmung war pro Schule, nicht kontra Asylbewerber.“
Die NPD hat auf ihrer Website einen Bericht der Bürgerversammlung veröffentlicht. „Rudow“, heißt es dort, „muss mit seinem dörflichen Charakter deutsch bleiben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“