Flüchtlinge: Linke beantragt Apartheidklassen
Bezirksverordnete der Linkspartei in Lichtenberg wollen Kinder in Wohnheimen statt in Schulen unterrichten lassen. Dafür gibt es einen Rüffel aus dem Abgeordnetenhaus.
Lichtenbergs Linke ist beim Versuch auf die Nase gefallen, die CDU rechts zu überholen. Im November beantragte die Partei in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), Flüchtlinge in den Wohnheimen statt in Schulen zu unterrichten. Erst wenn sie „einerseits die Sprache beherrschen und andererseits auch für wenigstens mehrere Wochen bleiben“, heißt es in dem Antrag, sollten sie in Regelschulen integriert werden. Der ständige Schülerwechsel, weil Flüchtlinge gezwungen sind, zwischen verschiedenen Heimen umzuziehen, bringe „Unruhe für alle Kinder“ in den ohnehin überfüllten Lichtenberger Grundschulen.
In den separierten Klassen in den Wohnheimen – Flüchtlingsgruppen nennen so etwas „Apartheidklassen“ – sollen Flüchtlingskinder nach dem Willen der Lichtenberger Linken „zunächst auch die unterschiedlichen ethnischen/religiösen Zugehörigkeiten sowie die größtenteils nicht vorhandenen Sprachkenntnisse aufarbeiten“. Vorteil für die Flüchtlingskinder: Sie könnten auf diese Weise vom ersten Tag nach der Ankunft unterrichtet werden und müssten nicht wochenlang auf die Schuleingangsuntersuchung, Impfungen und den TBC-Test warten.
In der BVV signalisierten sowohl SPD, Grüne als auch die CDU, dass sie den Antrag ablehnen. „Das Ziel muss bleiben, alle Kinder und Jugendliche möglichst schnell an regulären Schulen zu unterrichten, um sie besser zu fördern und um einer möglichen Ghettoisierung entgegenzuwirken“, schreiben sie in einer gemeinsamen Erklärung.
Die Linke zog daraufhin den Antrag zur sprachlichen Überarbeitung zurück und will ihn am heutigen Montag in anderer Form erneut einbringen, „weil es zu Missverständnissen kam“, wie Fraktionschef Christian Petermann sagt. „Es war zu keinem Zeitpunkt unser Ziel, Flüchtlingskinder separat zu unterrichten.“ Es ginge immer nur um einen begrenzten Zeitraum. Nach taz-Informationen bekam Lichtenbergs Linke massiven Ärger mit der eigenen Abgeordnetenhausfraktion. In verschiedenen Wahlkämpfen hatte die Linke mit dem Slogan „Eine Schule für alle“ geworben.
Die Neufassung der Lichtenberger Linken in der BVV, die der taz vorliegt, ist ein völlig neuer Antrag. Jetzt wird das Land aufgefordert, finanzielle Mittel bereitzustellen, damit die Wartezeiten auf die Gesundheitsuntersuchungen verkürzt werden. Im Falle von Lichtenberg ein wenig nützlicher Antrag, denn das Bezirksamt macht dem Land da ohnehin schon Druck – und die Wartezeiten sind im Berliner Vergleich vorbildlich kurz, was auch an der Hartnäckigkeit der eigenen linken Gesundheitsstadträtin Christina Emmrich liegt.
Weiter fordert die Linke jetzt, für die Wartezeit auf die Untersuchungen Sonderklassen in den Heimen „in Erwägung zu ziehen“. Der Flüchtlingsrat lehnt solche Sonderklassen kategorisch ab; nicht nur, weil sich die noch nicht untersuchten und geimpften Kinder da gegenseitig anstecken können. Martina Mauer: „Solche Provisorien können sich schnell zu Parallelstrukturen entwickeln. Dann lässt der Druck auf die Schulämter nach, die Kinder schnell in Regelschulen zu integrieren.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour