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■ Flüchtlinge: Berlin schiebt rund hundert Bosnier nach Sarajevo abBanz, Bonn, Berlin

Das Komische ist, ich glaube ihnen sogar. Ich glaube der Senatsverwaltung in Berlin, wenn sie sagt, bei der jüngsten Abschiebung von rund hundert Bosniern sei alles nach den Regeln des Ausländergesetzes gelaufen. Ich glaube ihnen, wenn sie sich auf ihre Paragraphen berufen, auf ihren Ermessensspielraum und ihre Weisungsbefugnisse. Und doch: Wenn, wie vorgestern geschehen, vor Morgenanbruch Deutsche in Uniform an Wohnungstüren klingeln, um Menschen abzuholen, dann schüttelt es mich. „Die sind abgeholt worden“ – so tuschelten, halb voyeuristisch, halb verschämt die ewigen Nachbarn in totalitären Regimen aller Zeiten. Ich will nicht, daß der Staat, der auch mein Staat ist, für solches Tuscheln Anlaß gibt.

Es ist, ich weiß, ein anfechtbares Gefühl, das Grausen vor dem nächtlichen Klingeln an deutschen Türen. Die Rechten können sagen: „Da zeigt sich's wieder! Immer noch nicht haben die Linken ihren Frieden mit dieser Republik gemacht; immer noch trennen sie nicht zwischen den Schergen der Diktatur und den Beamten des Rechtsstaats.“ Umgekehrt können die Linken höhnen, der brave Kleinbürger habe also nichts gegen die Abschiebung Verfolgter einzuwenden, solange sie nur sauber, ordentlich und am hellichten Tage vonstatten gehe?

Beide Einwände sind falsch. Weder geht es darum, die Polizeibeamten von heute mit den Gestapo-Männern von damals gleichzusetzen, noch ist das Unbehagen geschmäcklerisch. Menschlichkeit ist keine Frage der Tageszeit. Aber die Rücksichtslosigkeit bei der Abschiebeaktion in Berlin ist der sichtbare Ausdruck einer Brutalisierung, die sich derzeit bundesweit in den Umgang des deutschen Staates mit Flüchtlingen schleicht.

Die Beispiele der Woche: Am Tag, ehe die Abschiebung der Bosnier begann, forderte die CSU in Kloster Banz, Ausländer haftbar zu machen, falls ihre Integration scheitert. Gestern, am Tag nach der Abschiebung, beschäftigte sich der Bundesrat mit zwei Verschlechterungen der Lage von Nichtdeutschen: Die Länderkammer verabschiedete die Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes und beriet über einen Vorschlag Bayerns, auch alteingesessene Ausländer abzuschieben, wenn ihre Kinder kriminell werden.

Banz, Bonn und Berlin: Es stimmt, es gibt zur Zeit Erschreckenderes im Umgang des Staates mit Ausländern zu beobachten als ein nächtliches Pochen an der Tür. Vielleicht macht es nur einfach hellhörig. Patrik Schwarz

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