Fluchtmethoden im Internet: Die Suche nach Mister X
Julian Assange, Kim Schmitz und John McAfee sind oder waren auf der Flucht. Wo verstecken sie sich und wie fängt man sie wieder ein?
Seit vor einigen Wochen John McAfees Nachbar tot aufgefunden wurde, wird der Entwickler des ersten Anti-Viren-Programm wegen Mordes gesucht. Und mit Julian Assange (Wikileaks) und Kim Schmitz (Megaupload) sind derzeit weitere Computer- und Internetgrößen auf der Flucht. Wir sehen da ein Muster.
Die Mister-X-Methode
Der Flüchtende: John McAfee, Gründer der gleichnamigen Anti-Viren-Firma, soll in Belize seinen Nachbarn erschossen haben. Er will es nicht gewesen sein.
Die Methode: Kennen Sie noch das Brettspiel des Jahres 1983, „Scotland Yard“? Mister X flieht durch London, zeigt sich ab und an seinen Verfolgern, damit sie eine faire Chance haben. McAfee ist in Belize unterwegs, zeigt sich den Verfolgern in seinem Blog und in Interviews, in denen er über seine neue Haarfarbe spricht.
Der Trick dagegen: Umzingeln und zugreifen – so wie man unwillige Ponys auf der Weide fängt. Das kann im 300.000-Einwohner-Karibikstaat Belize nicht schwer sein, der ist ja nicht groß.
Der Botschaftstrick
Der Flüchtende: Julian Assange, Wikileaks-Gründer, flieht im Mai in die Botschaft von Ecuador in London. Die Briten wollen ihn an Schweden ausliefern, wo ein Prozess wegen Vergewaltigungsvorwürfen auf ihn wartet.
Die Methode: In eine Botschaft fliehen, denn die darf nicht gestürmt werden. 1989 flüchteten DDR-Bürger in die deutsche Botschaft in Prag, Ausgang bekannt. Der Präsident von Guinea-Bissau, João Bernadro Vieira, flieht im Mai 1999 vor putschenden Militärs in die portugiesische Botschaft in der Hauptstadt, vier Wochen später darf er nach Gambia ausreisen.
Der Trick dagegen: Beschallen. Die USA haben es 1990 in Panama vorgemacht. Erst vertrieben sie Diktator Manuel Noriega mit 26.000 Soldaten von der Macht, der schlüpfte in der Botschaft des Vatikans unter, und die US-Armee beschallt die Botschaft mit Rockmusik – bis Noriega sich ergibt.
Der Kohl’sche Trick
Der Flüchtende: Kim Schmitz alias Kim Dotcom, vom Wired-Magazin zum meist gesuchten Mann im Netz ausgerufen. Mit seinem Unternehmen Megaupload soll er Millionen von Dollar mit Copyright-Verletzungen verdient haben. Derzeit auf Kaution draußen.
Die Methode: Nicht vom Fleck bewegen und die Aufregung aussitzen. Das brachte Helmut Kohl im Zuge der Spendenaffäre zur Perfektion. Schmitz sitzt in seinem Haus in Neuseeland und konnte dank Gerüchteküche noch eine passable Drohkulisse aufbauen: So wisse das FBI angeblich, dass Schmitz ein Gerät besitze, mit dem er per Knopfdruck Server auf der ganzen Welt einfach löschen könne.
Der Trick dagegen: Puh, gegen so ein Server-Löschgerät ist wirklich schwer anzukommen. Am besten erst mal abwarten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch