: Flucht vor Scientology
Ein 14-jähriges Mädchen setzt sich von ihren Scientology-Eltern nach Hamburg ab. Nun tobt ein Streit über die Frage, warum es in Berlin bisher keinen Scientology-Beauftragten gibt. Kirche fordert Verbot
VON FELIX LEE
Das wird US-Schauspieler Tom Cruise nicht geschmeckt haben. Erst mokieren sich die Berliner über seine Filmrolle als Hitler-Attentäter Graf von Stauffenberg. Nun läuft dem Frauenschwarm auch noch eine junge Anhängerin davon. An seinen schauspielerischen Qualitäten wird es nicht gelegen haben. An der Scientology-Sekte, zu der auch Cruise gehört, dagegen schon.
Wie Anfang der Woche bekannt wurde, hat eine 14-jährige Berlinerin mit ihrem elf Jahre älteren Bruder die Stadt verlassen, um in Hamburg beim dortigen Jugendamt Hilfe zu suchen. Zuvor war der Bruder aus der Scientology-Sekte ausgestiegen. Das Mädchen habe ein striktes Kontaktverbot zu ihm befürchtet und wollte nicht dem Wunsch der Eltern folgen, auf ein Scientology-Internat in Dänemark zu wechseln, berichtet die Leiterin der Arbeitsgruppe Scientology, Ursula Caberta, in Hamburg.
Bei dem Mädchen handelt es sich nach Behördenangaben um die Stieftochter einer Scientology-Direktorin in Berlin. Nun tobt in der Hauptstadt ein Streit über die Frage, warum die 14-Jährige in Berlin keine entsprechende Anlaufstelle fand, sondern nach Hamburg ging. „Eine solche Anlaufstelle gibt es“, sagte gestern die Sprecherin der Berliner Innenverwaltung, Isabelle Kalbitzer. Sie verwies auf die Jugendämter. Dort werde allen Bürgern Hilfe und Unterstützung im Umgang mit Sekten angeboten, insbesondere mit Scientology. Es sei „misslich“, dass dies dem Mädchen nicht bekannt war.
Der Sektenbeauftragte der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Thomas Gandow, hatte den Senat dagegen scharf angegriffen und kritisiert, dass es in Berlin keine Möglichkeit gebe, bei einer staatlichen Stelle eine solide Beratung in Sachen Scientology zu bekommen. Gandow bezeichnete die Organisation als „weltweit organisierten Psychokonzern“, der Aussteiger brutal unter Druck setze. Er plädierte für eine Verbotsdiskussion zu Scientology.
Auch die oppositionelle CDU schloss sich der Kritik an: Die Flucht der 14-jährigen in die Hansestadt zeige, wie dringend Berlin eine feste Anlaufstelle für Scientology-Aussteiger brauche, sagte der Sicherheitsexperte der CDU im Abgeordnetenhaus, Frank Henkel. Die CDU sieht es als ihr Verdienst an, dass der Berliner Verfassungsschutz die Sekte überhaupt wieder beobachtet. Das Land Berlin hatte die Beobachtung von Scientology 2003 als Konsequenz aus Gerichtsurteilen eingestellt.
Der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Dirk Behrendt, sprach sich zwar ebenfalls dafür aus, dass der Senat „mehr machen“ könne. Anders als die CDU plädierte er jedoch dafür, sich nicht so viel Gedanken über Überwachung zu machen, sondern sich auf die Hilfe für Ausstiegswillige zu konzentrieren.
Scientology wurde 1954 von dem Sciencefiction-Autor Ron Hubbard gegründet. Seit Anfang des Jahres befindet sich in Charlottenburg die Deutschland-Zentrale. Die Zahl der Mitglieder soll sich nach Angaben von Scientology seit Jahresbeginn um mehrere hundert auf 1.000 Mitglieder erhöht haben. Isabelle Kalbitzer von der Innenverwaltung bestreitet diese Zahl: „In Berlin beißt Scientology auf Granit.“
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