Kommentar: Flucht ins Elend
■ Teure Unterkünftige – billige Ausreden
„Bei der Wahl von Unterbringungsstandorten soll die Möglichkeit, gesellschaftliche Kontakte aufzunehmen, berücksichtigt werden“, heißt es im Protokoll des Koalitionsausschusses, der am 14.3.93 die Anmietung eines Asylschiffes beschloß. Wer einnmal draußen am Kohlehafen war, weiß, daß die Zahl der Container hier mit Sicherheit größer ist als die gesellschaftlicher Kontakte. Wer dort wohnen muß, hat gute Chancen, innerhalb weniger Wochen in tiefste Depressionen zu fallen.
Dafür zahlt die Stadt rund 15.000 Mark monatlich. Wohnungen wären billiger als Sammelunterkünfte mit Gemeinschaftsverpflegung, gestand die für das Schiff zuständige Gesundheitssenatorin Gaertner schon sechs Monate nach dem protestbegleiteten Einzug der ersten Flüchtlinge. „Der Gesetzgeber hat die teurere Form aber bewußt gewählt, weil er der Meinung war, auf diese Weise den Zugang vermindern zu können.“
Die Abschreckung ist fast perfekt. Doch die Flüchtlinge, die sich doch noch zur Flucht nach Deutschland entschließen, zahlen den Preis für die Abschreckung. Indem sie krank werden, möglicherweise auch aggressiv, was keinen Psychologen wundern würde. Und schon haben wir sie, die bösen Flüchtlinge, die, wenn man sie nur ordentlich quält, sogar noch „kriminell“ werden. Wer handelt hier eigentlich kriminell? Dora Hartmann
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