: Floro aus der Asche
■ Spanische Fußball-Liga: die gebeutelten Meisterschaftsanwärter Real Madrid und FC Barcelona versuchen ihre Psyche durch Gruppenrituale zu reparieren
Berlin (taz) – Vor einigen Wochen, nach ihrer spektakulären Fußball-Demonstration gegen Real Madrid, die mit einem 5:0-Sieg endete, schienen die Spieler des FC Barcelona endlich die Wolke gefunden haben, auf der sie zu spanischen und europäischen Titelehren entschweben wollten, doch dann kam es plötzlich knüppeldick für die Katalanen. Beim Spiel in Sevilla rastete ihr permanent gefoulter Torjäger Romario aus, verpaßte dem Argentinier Simeone einen wohlgezielten Haken ans Kinn, wurde des Feldes verwiesen und für vier Spiele gesperrt. Danach gab es es eine Niederlage in San Sebastian und, peinlich, peinlich, das Pokal- Aus gegen den Zweitligisten Betis Sevilla im eigenen Stadion.
Schon herrschte wieder Krise im Nou Camp, und die stets in den Startlöchern befindlichen Neider des allmächtigen Coaches Johan Cruyff meldeten sich emsig zu Wort. Taktische Fehler habe der Niederländer gemacht, blödsinnig Spieler eingekauft, seine Motivationskraft sei verbraucht, im übrigen wolle er ohnehin nur noch seinen Sohn ins Team hieven und sich dann auf den gemütlichen Managerposten zurückziehen.
Hinzu kamen Querelen in der Mannschaft, die Spieler sollen sich häufig in der Kabine angegiftet haben, und um diese Disharmonien auszuräumen und endlich zu neuen Großtaten aufbrechen zu können, funktionierten sie am Freitag ein Training kurzerhand in eine zweieinhalbstündige Spielersitzung um – ohne Johan Cruyff. Dies wurde als weiteres Indiz für den schwindenden Einfluß des Coaches auf die Mannschaft gewertet, bis sich dieser beeilte zu erklären, daß er selbst die Sitzung angeregt habe.
Beim Heimspiel gegen Athletic Bilbao sollte am Sonntag die glorreiche Rehabilitation der Barcelonesen stattfinden, zumal Spitzenreiter Deportivo La Coruña tags zuvor bei Real Madrid 0:2 verloren hatte und die Sterne für eine Attacke auf die Tabellenführung bestens standen. Doch die guten Vorsätze hielten gerade mal eine Minute. Der FC Barcelona, wieder mit Romario, stand noch nicht richtig auf dem Platz, da lag er bereits 0:1 zurück. Nach einer verwirrenden Kombination der von Jupp Heynckes hervorragend eingestellten Basken tauchte Valverde plötzlich allein vor Torwart Zubizarreta auf und schob den Ball an den Innenpfosten.
Wütend trat Cruyffs Starensemble zum Anstoß an und schaffte tatsächlich binnen 120 Sekunden den Ausgleich durch einen Kopfball des Bulgaren Hristo Stoitschkow. Ein Foul von Libero Ronald Koeman brachte dann jedoch endgültig das gefürchtete Kombinationsspiel der Gastgeber zum Erliegen. Der Ball kam zu Ziganda, und es stand 2:1 für Bilbao. Fortan versuchte Barça fast nur noch mit hohen Flanken zum Erfolg zu kommen, und den pfeilschnellen Athletic-Stürmern öffneten sich immer wieder Räume zum Kontern. In der 49. Minute traf Guerrero zum 3:1, Barcelona konnte durch Bakero lediglich noch den Anschlußtreffer erzielen.
Die große Chance, La Coruña auf den Leib zu rücken, war verpaßt, doch viel schlimmer ist, daß Real Madrid, eigentlich bereits abgehängt, wieder auf einen Punkt an die Katalanen herangekommen ist. Bei den Madrilenen gelingt Trainer Benito Floro immer dann ein Sieg, wenn es eine ausgemachte Sache ist, daß er im Falle einer Niederlage gehen muß. Auch Real hatte im Pokal gegen Teneriffa eine bittere Schlappe erlitten, und auch in Madrid versuchten die Spieler sich bei einem gemeinsamen Abendessen zusammenzuraufen. Die kollektive Beschwörung hatte hier jedoch erheblich mehr Erfolg. Der gefürchtete Angriff von La Coruña mit dem Brasilianer Bebeto wurde gewaltsam bekämpft – Bebeto kam bis zu seiner Auswechslung in der 75. Minute nur zehnmal an den Ball und wurde dabei sechsmal gefoult. Späte Tore von Dani (56.) und Michel (70.) brachten einen ungefährdeten Sieg, Real ist mit seinem Floro aus der Asche plötzlich wieder ein ernsthafter Anwärter auf den Titel.
Erheblich dreckiger als Real und Barça geht es indes zwei anderen ehemaligen Top-Teams. Valencia sackte nach dem 0:7 in Karlsruhe schnurstracks von der Spitze in den Keller der Tabelle, ebenso wie Atletico Madrid, das in Vigo mit seinem dritten Trainer der Saison in der 90. Minute das 2:3 kassierte und auf Rang 14 rutschte. Matti
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