: Flaute auf dem Lehrstellensee
Arbeitsagentur meldet 510 Lehrstellen weniger als im Vorjahr. Immer weniger Hauptschüler werden in Hamburg als Bewerber anerkannt. DGB fordert mehr Anstrengungen der Wirtschaft
von Kaija Kutter
Die Zahlen seien „wirklich schlecht“, sagt Heiko Gröpler. Der Jugendsekretär beim DGB-Nord meint den Zwischenstand der bei der Arbeitsagentur gemeldeten Lehrstellen für 2006. Waren es vor einem Jahr noch 7.442 Stellen, so sind es in diesem April mit 6.932 510 weniger – ein Minus von acht Prozent. Bis zum Spätherbst erhöhe sich diese Zahl zwar in der Regel, so der Experte, doch sei es ein „Erfahrungswert“, dass sich der April-Trend fortsetzt. „Das ist ein Alarmzeichen“, ergänzt Olaf Schwede von der DGB-Jugend Hamburg. Bis zum Ausbildungsstart im nächsten August müsse die Wirtschaft „deutliche Anstrengungen“ unternehmen, die Lehrstellen-Lücke zu schließen.
Wie groß diese genau ist und wie viele Bewerber diesen freien Plätzen gegenüber stehen, darüber herrscht ein politischer Streit. Senat sowie Handels- und Handwerkskammer schlossen vor zwei Jahren einen „Ausbildungspakt“, in dem die Wirtschaft versprach, jedem Jugendlichen, der willig und fähig ist, ein Angebot zu unterbreiten. Im Gegenzug versprach der Senat der Wirtschaft über die gestern besiegelte Reform der Beruflichen Schulen einen stärkeren Einfluss darauf. Als dieser Pakt im Dezember für das Jahr 2005 bilanziert wurde, hatten 10.752 Jugendliche – zur Hälfte aus dem Umland – einen Lehrvertrag erhalten. Rund 1.100, so die offizielle Zahl, waren unversorgt geblieben. Davon galt die Hälfe als „nicht ausbildungsfähig“, die andere bekam ein Praktikum geboten. Und damit sahen die Partner das Ziel erfüllt.
Die Gewerkschafter Gröpler und Schwede indes finden es merkwürdig, dass in Hamburg seit 2004 noch eine weitere Zahl kontinuierlich sinkt: Trotz steigender Abgängerzahlen werden immer weniger Hauptschüler, die sich „ratsuchend“ an die Arbeitsagentur wenden, auch als Bewerber anerkannt. Waren es 2003/04 noch 2.600, erhielten 2004/05 nur noch 1.957 diesen Status, in diesem Jahr nur noch 1.790. „Beim Arbeitsamt wird kräftig gesiebt“, sagt Gröpler, der sich darüber wundert, dass es diesen Trend in keinem anderen Bundesland gebe. Die Agentur, sagt auch Schwede, dürfe nicht Jugendlichen mit Methoden des Aussortierens „den Weg ins Berufsleben verbauen, um die Statistik zu schönen“.
Knut Börnsen, Sprecher der Arbeitsagentur, räumt ein, dass seit zwei Jahren durch Tests mit hauseigenen Psychologen in Deutsch und Mathe eine schärfere Auswahl vorgenommen werde. „Es nützt nichts, einen schwachen Hauptschüler als Bewerber aufzunehmen und zu sagen, ‚ja, du kriegst schon was‘, wo doch faktisch der Ausbildungsmarkt einer starken Konkurrenz aus dem Umland obliegt.“ Auch verstehe man sich als „Dienstleister“ für die Ausbildungsbetriebe, denen man keine „Alibi-Vorschläge“ machen wolle. Und schließlich gebe es auch Schüler mit einem guten „Selbstmanagment“, sagt Börnsen, die sich die Lehrstelle ohne Hilfe der Arbeitsagentur besorgen.
Deren Statistik „sagt nichts aus. Es werden mehr Plätze durch uns vermittelt“, befindet auch Handelskammer-Referent Thorsten Koletschka, der „keinen Grund zur Sorge“ sieht. Zwar verbuche auch er mit nur 3.228 Lehrverträgen ein „Minus von 6,1 Prozent“ gegenüber dem April 2005. Dies liege aber an neuen Verordnungen, durch welche das Abschluss von Lehrverträgen verzögert werde. „Speziell aus der Versicherungsbrache“ erwartet Koletschka „noch viel“. „Das wäre erfreulich“, sagt DG-Mann Heiko Gröpler. Um wirklich die Lehrstellenlücke zu füllen, müsste dies aber sehr viel sein.