piwik no script img

Flashmob am AlexFünf Minuten schockgefrieren

Passend zum Wetter stand der Alexanderplatz am Samstag still. Für fünf Minuten verharrten die Teilnehmer eines Flashmob in ihrer Position.

Kurz, sinnfrei, aber lustig - hier ein Flashmob im brasilianischen Sao Paolo. Bild: Alexandre Meneghini, AP

Es ist Samstag, 14.55 Uhr. Menschen mit Einkaufstaschen hasten über den Alexanderplatz, dem nächsten Schnäppchen entgegen. Andere, mit Kameras und Stadtplänen bewaffnet, verweilen, beobachten und bummeln weiter: Berliner und Touristen tauchen unter in einer quirligen, summenden Masse. Die Metrotram fährt und quietscht, ein Bass wummert.

Eine Gruppe von Jugendlichen tanzt am U-Bahn-Eingang zu lauter Elektromusik. Überhaupt sind auffallend viele junge Leute unterwegs. Und minütlich werden es mehr. Dann plötzlich - Punkt 15 Uhr - ertönt ein Pfiff. Der Bass wummert weiter. Doch die Tänzer tanzen nicht mehr. Sie gucken gebannt auf den Platz hinaus: Zwischen Weltzeituhr und Brunnen der Völkerfreundschaft stehen hunderte Menschen in ihren Bewegungen zu Salzsäulen erstarrt und totenstill. Was sich dazwischen noch bewegt, sind irritierte Passanten und eifrige Fotografen.

Die Situation ist skurril: Es gibt keinen offensichtlichen Grund, warum plötzlich alles steht. Niemand will demonstrieren, keiner befehligt die Masse. Es ist einfach so geschehen und wirkt doch geplant.

Solche - eigentlich sinnfreien - Aktionen, bei denen Menschen, die sich nicht kennen, sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten öffentlichen Ort verabreden, um genau das Gleiche zu tun, heißen im feinsten Neudeutsch "Flashmobs" (übersetzt: flash - Blitz und mob - Menschenmasse). Und sie sind schwer angesagt. Das Motto diesmal: "freeze", englisch für gefrieren. Die Aufgabe: Unauffällig über den Alex schlendern und unvermittelt für fünf Minuten erstarren. Organisiert haben sich die Teilnehmer über Internetportale wie Studi-VZ und Facebook.

Die Reaktionen der unwissenden Umstehenden zeigt: Der Freeze-Effekt kommt an, die Überraschung ist gelungen. Doch wie immer findet sich ein Haar in der Suppe. Der Freeze passiert nicht exakt zur selben Zeit. Der Pfiff war wohl zu leise. Außerdem steht so mancher schon vor 15 Uhr wie festgefroren herum. Das mag natürlich an der Kälte liegen. Die Spontaneität des Freeze wird dadurch aber gemindert.

Es ist Samstag, 15.05 Uhr. Die fünf Minuten sind abgelaufen, der Spuk ist vorbei, ein kurzer Jubel brandet auf. Als wäre nichts gewesen, geht jeder seiner Wege. Keine dreißig Minuten später beginnt auf Studi-VZ die Diskussion über Erfolg oder Misserfolg des Freeze und die Planung des nächsten Flashmobs in Berlin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • F
    Flashmosh

    So Sinnfrei, wie im Artikel beschrieben, sind die Flashmobs gar nicht. Und ich würde sie schon als eine Art Demonstration sehen. Wird so doch der immer mehr um sich greifenden Normierung und Privatisierung des öffentlichen Raums etwas entgegengesetzt. Gerade auf dem Alex, auf dem vor kurzem das Feiern ("exzessiver Alkoholkonsum")verboten worden ist.