Flanierender Strich zwischen Strichen

■ Eine Ausstellung am St. Pauli Fischmarkt stellt fünf vielversprechende junge Hamburger IllustratorInnen vor

Sammelausstellungen junger KünstlerInnen sind etwas Wunderbares. Da läßt sich auf engstem Raum durch völlig verschiedene, miteinander unvereinbare Bilderwelten flanieren. Hält sich das Auge gerade dankbar an fleischlichen und bodenständigen Abbildungen Nackter fest, kann es sich im nächsten Moment zwischen unzählig vielen kleinen Zeichnungen auf großen Formaten zerstreuen, um dort genüßlich einer romantisch bekleideten Liebe zu folgen.

Die Ausstellung Junge Illustratoren bietet solche Erfahrungen, wenn sie zum Beispiel die massigen Akte von Lars Möller unvermittelt Iris Blanks zarter Umsetzung von Boris Vians Der Schaum der Tage gegenüberstellt.

Drei Tatsachen verbinden die fünf Ausstellenden: Sie studierten alle Medienillustration in der Armgartstraße bei Professor Erhard Göttlicher. Und Herr Göttlicher, dessen Galeristin Sylvia Fondermann die Verkaufsausstellung betreut, hält alle fünf AbsolventInnen für so ausgezeichnet, daß er SammlerInnen die Investition in ihre Werke empfiehlt. Außerdem traten alle fünf schon während ihres Studiums an die Öffentlichkeit.

Tom Jütz und Lars Möller haben beispielsweise das allen Studierenden leidlich bekannte Wandbild in der Uni-Mensa gestaltet. In der Ausstellung wartet Jütz mit realistischen, weder von Nebel noch von Menschen getrübten Gemälden auf. Wer meint, Kunst messe sich an der Beherrschung von Mal-Techniken, wird dies gefallen.

Almuth Heene hat der Deutschen Bahn Muster für Regenschirme und Kaffeebecher zur Verfügung gestellt. Es macht nicht den Eindruck, als hätte sie sich verkaufen müssen. Ihre Zeichnungen wirken nur auf den ersten Blick gefällig. Bemerkenswert ist ihre Serie Lost and Found: kleinformatige Blätter, auf deren Linien einem Fingerabdruck, einer Waschmaschine oder einer Kassette jeweils die gleiche Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ein komisches Kompendium alltäglicher Dinge, die so als Striche verloren zwischen Strichen neu entdeckt werden können.

Für verschiedene in Hamburg erscheinende Blätter hat Mike Jordan gearbeitet. Er trägt hier Das Museum der Tugend bei, für dessen Texte Georg Klein aus Berlin verantwortlich zeichnet. Es handelt sich bei diesen unheiligen Versionen christlicher Tugenden um eine Serie kurzer, lakonischer Comic-Storys, deren Duktus durch die Comics des Franzosen Jacques Luostal allzu bekannt ist.

Doch schmälert solche Reminiszenz keineswegs die Freude darüber, daß es junge, vielversprechende Talente gibt, die sich diesem – in Deutschland noch immer zu selten genutzten – Medium widmen. So auch Iris Blank, deren feinteiliger Comic den Blick unweigerlich bannt. Sie setzt Detail, Layout und Erzählung in ein bisher nicht gesehenes Verhältnis, das mit seinem feinen Humor Boris Vian alle Ehre macht.

Die unterschiedlichen Arbeitsweisen, Qualititäten und Techniken der fünf Absolventen geben dem flanierenden Auge die Möglichkeit, seinen Geschmack zu schulen. Das revidiert vielleicht manche althergebrachte Vorstellung von dem, was Kunst angeblich sei.

Ole Frahm

bis 25. Januar, tägl. 12 – 20 Uhr, St. Pauli-Fischmarkt 20. Finissage: Sonntag, 16 Uhr, mit einer Lesung von Georg Klein