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Flächendeckender MindestlohnUnion fürchtet "Dammbruch"

Ein Mindestlohn für alle - davon träumt die SPD nach der Einigung in der Postbranche. Die Union will das mit aller Macht blockieren, Wirtschaftsminister Glos warnt vor einem Irrweg.

Will weitere Mindestlöhne verhindern: Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) Bild: dpa

BERLIN dpa Nach der Zustimmung des Bundestages zum umstrittenen Post-Mindestlohn warnt Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) die Union eindringlich vor einer ähnlichen Entwicklung in anderen Branchen. "Nach dem Post-Mindestlohn ist der nächste Dammbruch bei der Zeitarbeit zu befürchten", schrieb er in einem Brief an die Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion, über den die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet. Sollte die Deregulierung der Zeitarbeit wieder rückgängig gemacht werden, "droht der Verlust vieler Arbeitsplätze".

Es sei richtig, Menschen vor einer möglichen Ausnutzung in Notsituationen zu schützen, schrieb Glos. Beim Post-Mindestlohn sei aber "mit unredlichen Argumenten ein Problem konstruiert" worden, um eine wirtschaftspolitisch richtige Reform, die Liberalisierung des Postmarktes, zurückzudrehen. Die offensichtlich zu hoch angesetzten Mindestlöhne machten Arbeitsplätze unrentabel und führten zu Arbeitsplatzabbau - gerade bei Geringqualifizierten. Bei der Zeitarbeit drohe "eine ähnliche Rolle rückwärts". Deshalb müsse eine "Brandmauer gegen weitere arbeitsplatzgefährdende Maßnahmen" her.

Wie Glos lehnte auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) allgemeine gesetzliche Mindestlöhne strikt ab. "Es kann keinen gesetzlichen Mindestlohn geben. Die Lohnfindung ist Aufgabe der Tarifpartner", sagte Kauder am Sonntag.

Der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt, wies den jüngsten Vorstoß von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD), das Entsendegesetz auszudehnen, scharf zurück. "Der Arbeitsminister befindet sich auf einem gefährlichen Irrweg", sagte Hundt. "Branchenbezogene gesetzliche Löhne werden wie bei der Post auch in anderen Branchen dazu führen, dass viele ihren Arbeitsplatz verlieren. Herr Scholz, lassen Sie die Finger von dieser arbeitsplatzvernichtenden Politik", sagte Hundt.

Der Wirtschaftsweise Bert Rürup sprach sich in der "Märkischen Oderzeitung" dagegen für einen flächendeckenden Mindestlohn von etwa 4,50 Euro pro Stunde aus. Damit wären "definitiv keine relevanten Beschäftigungsverluste verbunden". Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn für alle Branchen solle "als letztes Netz dienen, weil es immer Bereiche gibt, in denen es keine Tarifverträge gibt". Dieser Mindestlohn müsse von einem Kombilohn begleitet werden, bei dem der Staat einen Teil des Lohnes zahlt, sagte der Vorsitzende des Rates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Unterdessen stellte der Chef und Minderheitsgesellschafter des angeschlagenen Briefzustellers Pin Group, Günter Thiel, dem Axel- Springer-Verlag als Haupteigentümer ein Ultimatum. "Wir brauchen bei Pin bis Weihnachten einen Geldeingang", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Zwischen einer Einigung und einer Überweisung müssten ein paar Dinge organisiert werden. "Spätestens Dienstagmorgen wird man deshalb weißen oder schwarzen Rauch aufsteigen sehen." Am Dienstag tagt der Pin-Verwaltungsrat.

Thiel ist bis dahin bereit, Springers 63,7 Prozent-Anteil an Pin zum symbolischen Preis von einem Euro zu übernehmen und den Post- Konkurrenten fortzuführen. Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner lehnte dies ab.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Ludwig Stiegler, warnte Thiel vor einem Unterlaufen des Mindestlohnes für Briefdienstleister. "Der Bundestag wird sich von einem Unternehmer, der mit Dumpinglöhnen Wettbewerb betreiben will, nicht auf der Nase herumtanzen lassen." Stiegler reagierte damit auf einen Bericht, dem zufolge Pin den Mindestlohn mit Hilfe von Zeitungsboten umgehen will. Pin-Vorstandschef Thiel sehe den "flächendeckenden Einsatz von tausenden Zeitungsausträgern" vor.

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12 Kommentare

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  • BQ
    Benno Quade

    Mindestlohn: Hoffen auf den Dammbruch!

     

     

    Da warnen der Wirtschaftsminister und die CDU/ CSU vor einem Dammbruch, Springer stellt sein Engagement bei der PIN Gruppe ein und die SPD gibt sich von alledem unbeirrt: weiter geht?s mit dem Projekt Mindestlohn! Die Debatte trägt Züge eines populistischen, pseudowissenschaftlichen Stellvertreterkrieges zwischen Arbeit und Kapital. Und genau das scheint der Wunsch der in die Koalitionsdisziplin gezwungenen politischen Protagonisten zu sein. Endlich ein Thema, über das es sich zu streiten so richtig lohnt.

     

    Doch die Sache mit dem Mindestlohn ist keineswegs so eindimensional wie es Politiker, Wirtschaft und Gewerkschaften gerne darstellen. Orientiert am Talkshowformat verkürzen sie die Debatte auf die Frage: Arbeit oder Mindestlohn? Dass beides unabdingbar zusammengehört bemerken dabei die Wenigsten. Der Mindestlohn ist eine Grundvoraussetzung der fairen Marktordnung, er ist die Bedingung einer gelingenden Arbeitsgesellschaft.

     

    Kaum einer vermutet, dass der Mindestlohn in den Vereinigten Staaten von Amerika bereits 1938 mit dem Fair Labor Standards Act bundesweit eingeführt worden ist. Gegenwärtig beträgt der Bundesmindestlohn (federal mininmum wage) USD 5,85 die Stunde. Seine Erhöhung von USD 5,15 (von 1997-2007) war eine der ersten Maßnahmen des demokratisch dominierten 110. Kongresses. 2008 wird der federal minimum wage auf USD 6,55 und 2009 schließlich auf USD 7,25 steigen. In den meisten Bundesstaaten der U.S.A. gelten höhere Mindestlöhne, der höchste gegenwärtig im Bundesstaat Washington mit USD 7,93. Doch auch die Städte und Gemeinden haben die Möglichkeit, Mindestlöhne oberhalb des Bundes- und Landesniveaus festzusetzen, von der z.B. auch San Francisco City und County Gebrauch gemacht haben: hier beträgt der Mindestlohn gegenwärtig USD 9,14 (ab 1. Januar 2008: USD 9,36). Und? 1938 brach der Arbeitsmarkt in den U.S.A. nicht zusammen und auch heute herrscht in den U.S.A. bei geringer Arbeitslosigkeit (4,7 %) eine historisch hohe Arbeitsmarktbeteiligung (mehr als 153 Mio. Erwerbspersonen).

     

    Die Koalitionsparteien brauchen den Mindestlohn als Rot-Schwarz-Thema: Martkwirtschaftliche Ordnung und Arbeitnehmerinteressen werden da schon mal vorschnell im Namen der Parteiklientel gegeneinander ausgespielt. Dabei bedarf die soziale Marktwirtschaft des Mindestlohns noch mehr als die liberale á la U.S.A. Und die Chancen des Mindestlohns (fair bezahlte Arbeit; verbesserte Teilhabemöglichkeiten der Niedriglohnarbeiter) überwiegen seine ökonomischen Risiken (möglicher Arbeitsplatzabbau) bei weitem. Im Übrigen auch für die Gewerkschaften, die lange nicht wussten, wie sie sich zum Thema Mindestlohn verhalten sollten. Ein Mindestlohn würde in vielen Branchen höhere Lohnabschlüsse und damit längst überfällige Reallohnerhöhungen auf Seiten der Arbeitnehmer ermöglichen. Doch auch die Wirtschaft könnte profitieren: der Mindestlohn schafft eine verlässliche Kalkulationsgrundlage und faire Markt- und Wettbewerbsbedingungen für alle Teilnehmer. D.h. auch, dass ? vorausgesetzt die Politik geht diesen logisch konsequenten Schritt ? bei staatlichen Ausschreibungen nur noch die Unternehmen eine Chance haben dürfen, die die Mindestlohngesetzgebung beachten.

     

    Nebenbei schafft ein einheitlicher Mindestlohn auch eine verlässliche Vergleichsgröße für staatliche Sozialleistungen (Stichwort: soziokulturelles Existenzminimum) und stellt endlich ein objektiv nachvollziehbares Kriterium für die Bestimmung zumutbarer Arbeit nach dem SGB II zur Verfügung. Allerdings darf der Mindestlohn nicht - wie teilweise in den Workfareprogrammen der U.S.A. - zum einzigen Zumutbarkeitskriterium werden!

     

    Der allgemeine Mindestlohn muss kommen: der arbeitende Arme und der nach dem Vorbild der U.S. amerikanische Welfare Reform des Jahres 1996 und in diese Richtung umgebaute deutsche Sozialstaat ? SGB II ? ist auf ihn ebenso angewiesen wie die Arbeitsgesellschaft als Ganzes: denn nur wenn die Grundregel des ?wer arbeitet, soll auch essen können? gilt, findet auch die Grundregel ?nur wer arbeiten will, soll auch essen? Akzeptanz.

     

    Also: Es lebe die Diskussion über den Mindestlohn; aber bitte etwas seriöser! Der lex Deutsche Post hängt indes ein ganz merkwürdiger Duft an ? L`Eau de protection par l?etat!?

  • DH
    Doris Häsemeyer

    ich sehe das ähnlich, man kann auch eine volkswirtschaftliche Nachfrage abwürgen wenn man nicht endlich mal anfängt die Löhne und Einkommen den stetig steigenden Preisen anzupassen, den das ist ja letzendlich die Situation die wir hier haben.

     

    Seit der Einführung des Euro stagnieren die Einkommen und die Preise steigen dafür. D.h. die Kaufkraft wird immer weiter sinken wenn nicht endlich mal an der Lohnschraube gedreht wird.

     

    Industrie und Arbeitgeberverbände äussern wie immer die üblichen Drohungen von Arbeitsplatzabbau und Preissteigerungen wobei sie ja völlig ausser Acht lassen dass das sowieso ihre Strategie ist die sie seit Jahren verfolgen, auch ohne die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne.

     

    Deswegen sollte man sich von solchen Drohgebärden nicht allzusehr beeindrucken lassen, denn die Profite dieser Leute sind ja bitteschön sowieso unantastbar.

     

    Ich meine dass wir unsere Arbeitnehmer dringend mit gesetzlichen Mindestlöhnen vor weiterer Ausbeutung schützen müssen denn sonst verkommt dieses Land hier irgendwann zum Dumpinglohn und Suppenküchenstaat.

  • OH
    O. Huettl

    Gerade im Bereich der Postdienstleister wird der Irrsinn der Debatte deutlich. Die neu geschaffenen Stellen bei den Billigheimern ersetzen mittelfristig die besser bezahlten Stellen bei der Post. Bleibt als volkswirtschaftlicher Saldo: Weniger Geld in den SV-Kassen, ebenso im Renten- und Krankenversicherungstopf, weniger Kaufkraft, ohne nennenswerten Einfluss auf die Arbeitslosenzahlen. Die Menschen, die von einem Mindestlohn profitieren wuerden, arbeiten fast ausnahmslos in Stellen, die sich nicht einfach streichen lassen. Sie erledigen Arbeit, die gemacht werden muss, nicht jede Taetigkeit laesst sich ins Ausland verlagern.

    Wenn dann noch Mindestlohnvorschlaege von 4,50 Euro im Raum stehen, sollte man vielleicht daran erinnern, dass Arbeitgeberpraesis in diesem land auch durchaus mal eines unnatuerlichen Todes....

    Nur so als Denkanstoss.

  • VB
    Volker Beringer

    Wann hört die Abzocke der deutschen Arbeitnehmer endlich auf?

    Arbeiter aus dem Osten wollen gar nicht mehr in Deutschland arbeiten, im europäischem Ausland verdient man mehr! Warum also die Angst vor dem Osten?

    In den Niederlanden z.B. gibt es seit 2002 den Mindestlohn (1265?) - mit Erfolg - das zeigt die Arbeitslosenquote von unter 4%.

    Wenn man bei Zeitarbeitsfirma für 40 Stunden die Woche knappe 1000? rauskommen, warum wundert sich dann die Wirtschaft über rückläufige Umsätze?

    Wo kein Geld ist, kann auch keines Ausgegeben werden.

  • BQ
    Benno Quade

    Mindestlohn: Hoffen auf den Dammbruch!

     

     

    Da warnen der Wirtschaftsminister und die CDU/ CSU vor einem Dammbruch, Springer stellt sein Engagement bei der PIN Gruppe ein und die SPD gibt sich von alledem unbeirrt: weiter geht?s mit dem Projekt Mindestlohn! Die Debatte trägt Züge eines populistischen, pseudowissenschaftlichen Stellvertreterkrieges zwischen Arbeit und Kapital. Und genau das scheint der Wunsch der in die Koalitionsdisziplin gezwungenen politischen Protagonisten zu sein. Endlich ein Thema, über das es sich zu streiten so richtig lohnt.

     

    Doch die Sache mit dem Mindestlohn ist keineswegs so eindimensional wie es Politiker, Wirtschaft und Gewerkschaften gerne darstellen. Orientiert am Talkshowformat verkürzen sie die Debatte auf die Frage: Arbeit oder Mindestlohn? Dass beides unabdingbar zusammengehört bemerken dabei die Wenigsten. Der Mindestlohn ist eine Grundvoraussetzung der fairen Marktordnung, er ist die Bedingung einer gelingenden Arbeitsgesellschaft.

     

    Kaum einer vermutet, dass der Mindestlohn in den Vereinigten Staaten von Amerika bereits 1938 mit dem Fair Labor Standards Act bundesweit eingeführt worden ist. Gegenwärtig beträgt der Bundesmindestlohn (federal mininmum wage) USD 5,85 die Stunde. Seine Erhöhung von USD 5,15 (von 1997-2007) war eine der ersten Maßnahmen des demokratisch dominierten 110. Kongresses. 2008 wird der federal minimum wage auf USD 6,55 und 2009 schließlich auf USD 7,25 steigen. In den meisten Bundesstaaten der U.S.A. gelten höhere Mindestlöhne, der höchste gegenwärtig im Bundesstaat Washington mit USD 7,93. Doch auch die Städte und Gemeinden haben die Möglichkeit, Mindestlöhne oberhalb des Bundes- und Landesniveaus festzusetzen, von der z.B. auch San Francisco City und County Gebrauch gemacht haben: hier beträgt der Mindestlohn gegenwärtig USD 9,14 (ab 1. Januar 2008: USD 9,36). Und? 1938 brach der Arbeitsmarkt in den U.S.A. nicht zusammen und auch heute herrscht in den U.S.A. bei geringer Arbeitslosigkeit (4,7 %) eine historisch hohe Arbeitsmarktbeteiligung (mehr als 153 Mio. Erwerbspersonen).

     

    Die Koalitionsparteien brauchen den Mindestlohn als Rot-Schwarz-Thema: Martkwirtschaftliche Ordnung und Arbeitnehmerinteressen werden da schon mal vorschnell im Namen der Parteiklientel gegeneinander ausgespielt. Dabei bedarf die soziale Marktwirtschaft des Mindestlohns noch mehr als die liberale á la U.S.A. Und die Chancen des Mindestlohns (fair bezahlte Arbeit; verbesserte Teilhabemöglichkeiten der Niedriglohnarbeiter) überwiegen seine ökonomischen Risiken (möglicher Arbeitsplatzabbau) bei weitem. Im Übrigen auch für die Gewerkschaften, die lange nicht wussten, wie sie sich zum Thema Mindestlohn verhalten sollten. Ein Mindestlohn würde in vielen Branchen höhere Lohnabschlüsse und damit längst überfällige Reallohnerhöhungen auf Seiten der Arbeitnehmer ermöglichen. Doch auch die Wirtschaft könnte profitieren: der Mindestlohn schafft eine verlässliche Kalkulationsgrundlage und faire Markt- und Wettbewerbsbedingungen für alle Teilnehmer. D.h. auch, dass ? vorausgesetzt die Politik geht diesen logisch konsequenten Schritt ? bei staatlichen Ausschreibungen nur noch die Unternehmen eine Chance haben dürfen, die die Mindestlohngesetzgebung beachten.

     

    Nebenbei schafft ein einheitlicher Mindestlohn auch eine verlässliche Vergleichsgröße für staatliche Sozialleistungen (Stichwort: soziokulturelles Existenzminimum) und stellt endlich ein objektiv nachvollziehbares Kriterium für die Bestimmung zumutbarer Arbeit nach dem SGB II zur Verfügung. Allerdings darf der Mindestlohn nicht - wie teilweise in den Workfareprogrammen der U.S.A. - zum einzigen Zumutbarkeitskriterium werden!

     

    Der allgemeine Mindestlohn muss kommen: der arbeitende Arme und der nach dem Vorbild der U.S. amerikanische Welfare Reform des Jahres 1996 und in diese Richtung umgebaute deutsche Sozialstaat ? SGB II ? ist auf ihn ebenso angewiesen wie die Arbeitsgesellschaft als Ganzes: denn nur wenn die Grundregel des ?wer arbeitet, soll auch essen können? gilt, findet auch die Grundregel ?nur wer arbeiten will, soll auch essen? Akzeptanz.

     

    Also: Es lebe die Diskussion über den Mindestlohn; aber bitte etwas seriöser! Der lex Deutsche Post hängt indes ein ganz merkwürdiger Duft an ? L`Eau de protection par l?etat!?

  • DH
    Doris Häsemeyer

    ich sehe das ähnlich, man kann auch eine volkswirtschaftliche Nachfrage abwürgen wenn man nicht endlich mal anfängt die Löhne und Einkommen den stetig steigenden Preisen anzupassen, den das ist ja letzendlich die Situation die wir hier haben.

     

    Seit der Einführung des Euro stagnieren die Einkommen und die Preise steigen dafür. D.h. die Kaufkraft wird immer weiter sinken wenn nicht endlich mal an der Lohnschraube gedreht wird.

     

    Industrie und Arbeitgeberverbände äussern wie immer die üblichen Drohungen von Arbeitsplatzabbau und Preissteigerungen wobei sie ja völlig ausser Acht lassen dass das sowieso ihre Strategie ist die sie seit Jahren verfolgen, auch ohne die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne.

     

    Deswegen sollte man sich von solchen Drohgebärden nicht allzusehr beeindrucken lassen, denn die Profite dieser Leute sind ja bitteschön sowieso unantastbar.

     

    Ich meine dass wir unsere Arbeitnehmer dringend mit gesetzlichen Mindestlöhnen vor weiterer Ausbeutung schützen müssen denn sonst verkommt dieses Land hier irgendwann zum Dumpinglohn und Suppenküchenstaat.

  • OH
    O. Huettl

    Gerade im Bereich der Postdienstleister wird der Irrsinn der Debatte deutlich. Die neu geschaffenen Stellen bei den Billigheimern ersetzen mittelfristig die besser bezahlten Stellen bei der Post. Bleibt als volkswirtschaftlicher Saldo: Weniger Geld in den SV-Kassen, ebenso im Renten- und Krankenversicherungstopf, weniger Kaufkraft, ohne nennenswerten Einfluss auf die Arbeitslosenzahlen. Die Menschen, die von einem Mindestlohn profitieren wuerden, arbeiten fast ausnahmslos in Stellen, die sich nicht einfach streichen lassen. Sie erledigen Arbeit, die gemacht werden muss, nicht jede Taetigkeit laesst sich ins Ausland verlagern.

    Wenn dann noch Mindestlohnvorschlaege von 4,50 Euro im Raum stehen, sollte man vielleicht daran erinnern, dass Arbeitgeberpraesis in diesem land auch durchaus mal eines unnatuerlichen Todes....

    Nur so als Denkanstoss.

  • VB
    Volker Beringer

    Wann hört die Abzocke der deutschen Arbeitnehmer endlich auf?

    Arbeiter aus dem Osten wollen gar nicht mehr in Deutschland arbeiten, im europäischem Ausland verdient man mehr! Warum also die Angst vor dem Osten?

    In den Niederlanden z.B. gibt es seit 2002 den Mindestlohn (1265?) - mit Erfolg - das zeigt die Arbeitslosenquote von unter 4%.

    Wenn man bei Zeitarbeitsfirma für 40 Stunden die Woche knappe 1000? rauskommen, warum wundert sich dann die Wirtschaft über rückläufige Umsätze?

    Wo kein Geld ist, kann auch keines Ausgegeben werden.

  • BQ
    Benno Quade

    Mindestlohn: Hoffen auf den Dammbruch!

     

     

    Da warnen der Wirtschaftsminister und die CDU/ CSU vor einem Dammbruch, Springer stellt sein Engagement bei der PIN Gruppe ein und die SPD gibt sich von alledem unbeirrt: weiter geht?s mit dem Projekt Mindestlohn! Die Debatte trägt Züge eines populistischen, pseudowissenschaftlichen Stellvertreterkrieges zwischen Arbeit und Kapital. Und genau das scheint der Wunsch der in die Koalitionsdisziplin gezwungenen politischen Protagonisten zu sein. Endlich ein Thema, über das es sich zu streiten so richtig lohnt.

     

    Doch die Sache mit dem Mindestlohn ist keineswegs so eindimensional wie es Politiker, Wirtschaft und Gewerkschaften gerne darstellen. Orientiert am Talkshowformat verkürzen sie die Debatte auf die Frage: Arbeit oder Mindestlohn? Dass beides unabdingbar zusammengehört bemerken dabei die Wenigsten. Der Mindestlohn ist eine Grundvoraussetzung der fairen Marktordnung, er ist die Bedingung einer gelingenden Arbeitsgesellschaft.

     

    Kaum einer vermutet, dass der Mindestlohn in den Vereinigten Staaten von Amerika bereits 1938 mit dem Fair Labor Standards Act bundesweit eingeführt worden ist. Gegenwärtig beträgt der Bundesmindestlohn (federal mininmum wage) USD 5,85 die Stunde. Seine Erhöhung von USD 5,15 (von 1997-2007) war eine der ersten Maßnahmen des demokratisch dominierten 110. Kongresses. 2008 wird der federal minimum wage auf USD 6,55 und 2009 schließlich auf USD 7,25 steigen. In den meisten Bundesstaaten der U.S.A. gelten höhere Mindestlöhne, der höchste gegenwärtig im Bundesstaat Washington mit USD 7,93. Doch auch die Städte und Gemeinden haben die Möglichkeit, Mindestlöhne oberhalb des Bundes- und Landesniveaus festzusetzen, von der z.B. auch San Francisco City und County Gebrauch gemacht haben: hier beträgt der Mindestlohn gegenwärtig USD 9,14 (ab 1. Januar 2008: USD 9,36). Und? 1938 brach der Arbeitsmarkt in den U.S.A. nicht zusammen und auch heute herrscht in den U.S.A. bei geringer Arbeitslosigkeit (4,7 %) eine historisch hohe Arbeitsmarktbeteiligung (mehr als 153 Mio. Erwerbspersonen).

     

    Die Koalitionsparteien brauchen den Mindestlohn als Rot-Schwarz-Thema: Martkwirtschaftliche Ordnung und Arbeitnehmerinteressen werden da schon mal vorschnell im Namen der Parteiklientel gegeneinander ausgespielt. Dabei bedarf die soziale Marktwirtschaft des Mindestlohns noch mehr als die liberale á la U.S.A. Und die Chancen des Mindestlohns (fair bezahlte Arbeit; verbesserte Teilhabemöglichkeiten der Niedriglohnarbeiter) überwiegen seine ökonomischen Risiken (möglicher Arbeitsplatzabbau) bei weitem. Im Übrigen auch für die Gewerkschaften, die lange nicht wussten, wie sie sich zum Thema Mindestlohn verhalten sollten. Ein Mindestlohn würde in vielen Branchen höhere Lohnabschlüsse und damit längst überfällige Reallohnerhöhungen auf Seiten der Arbeitnehmer ermöglichen. Doch auch die Wirtschaft könnte profitieren: der Mindestlohn schafft eine verlässliche Kalkulationsgrundlage und faire Markt- und Wettbewerbsbedingungen für alle Teilnehmer. D.h. auch, dass ? vorausgesetzt die Politik geht diesen logisch konsequenten Schritt ? bei staatlichen Ausschreibungen nur noch die Unternehmen eine Chance haben dürfen, die die Mindestlohngesetzgebung beachten.

     

    Nebenbei schafft ein einheitlicher Mindestlohn auch eine verlässliche Vergleichsgröße für staatliche Sozialleistungen (Stichwort: soziokulturelles Existenzminimum) und stellt endlich ein objektiv nachvollziehbares Kriterium für die Bestimmung zumutbarer Arbeit nach dem SGB II zur Verfügung. Allerdings darf der Mindestlohn nicht - wie teilweise in den Workfareprogrammen der U.S.A. - zum einzigen Zumutbarkeitskriterium werden!

     

    Der allgemeine Mindestlohn muss kommen: der arbeitende Arme und der nach dem Vorbild der U.S. amerikanische Welfare Reform des Jahres 1996 und in diese Richtung umgebaute deutsche Sozialstaat ? SGB II ? ist auf ihn ebenso angewiesen wie die Arbeitsgesellschaft als Ganzes: denn nur wenn die Grundregel des ?wer arbeitet, soll auch essen können? gilt, findet auch die Grundregel ?nur wer arbeiten will, soll auch essen? Akzeptanz.

     

    Also: Es lebe die Diskussion über den Mindestlohn; aber bitte etwas seriöser! Der lex Deutsche Post hängt indes ein ganz merkwürdiger Duft an ? L`Eau de protection par l?etat!?

  • DH
    Doris Häsemeyer

    ich sehe das ähnlich, man kann auch eine volkswirtschaftliche Nachfrage abwürgen wenn man nicht endlich mal anfängt die Löhne und Einkommen den stetig steigenden Preisen anzupassen, den das ist ja letzendlich die Situation die wir hier haben.

     

    Seit der Einführung des Euro stagnieren die Einkommen und die Preise steigen dafür. D.h. die Kaufkraft wird immer weiter sinken wenn nicht endlich mal an der Lohnschraube gedreht wird.

     

    Industrie und Arbeitgeberverbände äussern wie immer die üblichen Drohungen von Arbeitsplatzabbau und Preissteigerungen wobei sie ja völlig ausser Acht lassen dass das sowieso ihre Strategie ist die sie seit Jahren verfolgen, auch ohne die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne.

     

    Deswegen sollte man sich von solchen Drohgebärden nicht allzusehr beeindrucken lassen, denn die Profite dieser Leute sind ja bitteschön sowieso unantastbar.

     

    Ich meine dass wir unsere Arbeitnehmer dringend mit gesetzlichen Mindestlöhnen vor weiterer Ausbeutung schützen müssen denn sonst verkommt dieses Land hier irgendwann zum Dumpinglohn und Suppenküchenstaat.

  • OH
    O. Huettl

    Gerade im Bereich der Postdienstleister wird der Irrsinn der Debatte deutlich. Die neu geschaffenen Stellen bei den Billigheimern ersetzen mittelfristig die besser bezahlten Stellen bei der Post. Bleibt als volkswirtschaftlicher Saldo: Weniger Geld in den SV-Kassen, ebenso im Renten- und Krankenversicherungstopf, weniger Kaufkraft, ohne nennenswerten Einfluss auf die Arbeitslosenzahlen. Die Menschen, die von einem Mindestlohn profitieren wuerden, arbeiten fast ausnahmslos in Stellen, die sich nicht einfach streichen lassen. Sie erledigen Arbeit, die gemacht werden muss, nicht jede Taetigkeit laesst sich ins Ausland verlagern.

    Wenn dann noch Mindestlohnvorschlaege von 4,50 Euro im Raum stehen, sollte man vielleicht daran erinnern, dass Arbeitgeberpraesis in diesem land auch durchaus mal eines unnatuerlichen Todes....

    Nur so als Denkanstoss.

  • VB
    Volker Beringer

    Wann hört die Abzocke der deutschen Arbeitnehmer endlich auf?

    Arbeiter aus dem Osten wollen gar nicht mehr in Deutschland arbeiten, im europäischem Ausland verdient man mehr! Warum also die Angst vor dem Osten?

    In den Niederlanden z.B. gibt es seit 2002 den Mindestlohn (1265?) - mit Erfolg - das zeigt die Arbeitslosenquote von unter 4%.

    Wenn man bei Zeitarbeitsfirma für 40 Stunden die Woche knappe 1000? rauskommen, warum wundert sich dann die Wirtschaft über rückläufige Umsätze?

    Wo kein Geld ist, kann auch keines Ausgegeben werden.