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Fischerei in der Ostsee am LimitAuch Beifang leert das Meer

Ein Meeresforscher empfiehlt, in der Ostsee keinen Hering und Dorsch mehr zu fangen – auch nicht als Beifang. Die Fischer fürchten um ihre Existenz.

Früher war er Fischers Brotfisch, heute gibt es in der Ostsee immer weniger: Heringe im Netz Foto: Jens Büttner/dpa

Hamburg taz | Die schleswig-holsteinischen Küstenfischer sehen sich von verschiedenen Seiten unter Druck gesetzt. Da ist zum einen die Empfehlung eines Kieler Forschers, gar keine Heringe und Dorsche mehr in der Ostsee zu fangen – auch nicht als Beifang. Das würde ihre Arbeit fast unmöglich machen. Zum anderen will ihnen das Land in Schutzgebieten die Fischerei verbieten. Für Letzteres hat Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) beim Verbandstag am Donnerstag vergangener Woche einen Ausgleich versprochen.

Dorsch und Hering waren einmal die Brotfische der schleswig-holsteinischen Küstenfischer in der Ostsee. Doch von den einst üppigen Beständen ist kaum noch etwas übrig. Der Dorsch-Bestand in der westlichen Ostsee ist so klein, dass sich dazu kaum mehr Daten erfassen lassen, wie der Internationale Rat für Meeresforschung (Ices) schreibt. Beim Hering sei der Bestand in der westlichen Ostsee „tief im roten Bereich“.

Der Ices hatte deshalb bereits im Mai erneut Null-Fangquoten für das kommende Jahr vorgeschlagen – mit Ausnahme des Herings in der zentralen Ostsee östlich von Bornholm. Was die Ices-Empfehlungen allerdings immer noch zulassen, sind einige Tonnen Beifang, um die Fischerei überhaupt, also etwa auf Plattfische, zu ermöglichen.

Thorsten Reusch vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel würde noch etwas weiter gehen. Vor dem Agrarausschuss des Landtags bezweifelte er, dass sich der Dorsch ohne Fangverbot erholen kann. „Beim Dorsch ist es schwierig, weil der wirklich so weit unten ist, dass der überhaupt mal wieder einen Ansatz haben muss, dass er vielleicht noch hochkommt“, sagte Reusch.

Die Zeit drängt

„Die Zeit drängt, weil im Augenblick die letzten Heringe und Dorsche ganz legal und gegen den wissenschaftlichen Rat des internationalen Rats für Meeresforschung weggefangen werden“, kritisierte Reusch. Die Fische dürften weder gefangen noch geangelt oder anderweitig entnommen werden – sie müssten geschützt werden.

Den Deutschen Fischereiverband beunruhigen solche Forderungen. „Was das Geomar will, ist das Ende der Fischerei“, sagt Pressereferent Claus Ubl. Dorsche und Heringe dürften schon länger nur noch als Beifang gefischt werden. Heute kämen so wenige Dorsche und Heringe durch die Fischerei ums Leben wie selten zuvor. Dass die Populationen so klein seien, habe mehr mit den Umweltbedingungen zu tun als mit der Fischerei.

Den Beifang von diesem niedrigen Niveau aus auf Null zu fahren, werde daher den Fischpopulationen nichts nützen – aber der Fischerei den Garaus machen. Denn dass bei der Fischerei auf Schollen oder Sprotten auch ein paar Dorsche oder Heringe ins Netz gingen, lasse sich nun mal kaum vermeiden.

Beifang lässt sich nicht ganz vermeiden

„Beifang lässt sich nicht völlig, aber doch wesentlich vermeiden, bei entsprechender Einstellung der Fanggeräte“, sagt dagegen Reusch. So ließen sich etwa Stellnetze für Plattfische nur mit geringer Höhe über dem Grund und mit großen Maschenweiten einsetzen. Noch wesentlicher lasse sich der Beifang von Dorschen durch Auswahl von Ort und Zeit des Fangens minimieren, indem also dort gefischt werde, wo der Beifang am geringsten sei.

Für den Hering sei es sogar noch wesentlich einfacher, sagt der Forscher. Der werde nur mit speziellen Netzen mit geringer Maschenweite gefangen. „Wenn man diese nicht einsetzt, dann gibt es auch keinen Fang und keinen Beifang“, sagt Reusch.

Auf der Mitgliederversammlung des Landesfischereiverbandes spielte eine andere Sorge eine große Rolle: Die schleswig-holsteinische Landesregierung will 12,5 Prozent der in ihrer Zuständigkeit liegenden Meeresgebiete unter Schutz stellen und die Fischerei dort verbieten. Das sind zweieinhalb Prozentpunkte mehr als von der EU gefordert. Dafür hat die schwarz-grüne Koalition aber darauf verzichtet, einen Nationalpark Ostsee einzurichten.

Fischer sollen mehr fürs Meer tun

Zum Ausgleich der zusätzlichen Einschränkungen bot Ministerpräsident Günther bei der Mitgliederversammlung den 25 hauptberuflichen Fischern eine Kompensation von insgesamt 400.000 Euro pro Jahr an. Im Gegenzug sollen die Fischer etwas für das Meer tun: Umweltdaten aufzeichnen, Wasserproben nehmen, Müll herausfischen.

Der Landesfischereiverband nahm das Angebot grundsätzlich an. Allerdings müssten noch die genauen Konditionen zur beiderseitigen Zufriedenheit ausgehandelt werden. „Sonst läuft das nicht“, warnt Fischermeister Lorenz Marckwardt, der Vorsitzende des Landesfischereiverbandes.

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4 Kommentare

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  • Wieder ein komplexes Thema das von Beteiligten und Betroffen simplifiziert werden will mit dem Fokus auf die eigenen Bedürfnisse. Aber so funktionierts nicht. Überfischung und Umweltbedingungen sind eine andauernde Katastrophe für das (Fast-) Binnenmeer Ostsee daher find ich den Denkansatz grundsätzlich toll, wo Arbeitsplätze wegfallen würden (Fischerei) neue zu schaffen (Umweltschutz) um das Ökosystem von dem alle leben (!) auch zu erhalten. Wann begreift der Mensch endlich, dass die Wundertüte eine Boden hat und Einschränkungen (zum Erhalt) auch irgendwann die Krone der Schöpfung betreffen.

  • Was verstehe ich jetzt nicht, die Fischer sind gegen die Auflagen die noch einen Fischbestand erhalten weil sie Angst um ihre Existenz haben.



    Lieber würden Sie noch ein paar mal rausfahren bis dann alles weggefischt ist, was sichert dann die Existenz?



    Wo nichts mehr ist kann nichts mehr geholt werden.

    • @Captain Hornblower:

      ich fürchte, dass die Fischer soweit nicht denken

  • Ach was! Vagel Bülow

    Wie recht er hatte!



    “ Dorsch und Hering waren einmal die Brotfische der schleswig-holsteinischen Küstenfischer in der Ostsee. Doch von den einst üppigen Beständen ist kaum noch etwas übrig.“



    Paulus Schiemenz - Fischeibeauftragter des



    Deutschen Reiches “Wenn wir mit der Industriealisierung - wird der Hering noch ein begehrter Speisefisch werden!“

    unterm—-



    de.wikipedia.org/wiki/Paulus_Schiemenz



    “ Einer wissenschaftlichen Institutsgeschichte zufolge gilt er „als Begründer der modernen Fischereiwissenschaft“