„Fischer fischt Frau“ im ZDF: Vom Fischer und seiner Frau
Das ZDF zeigt, warum man sich bei sogenannten Wohlfühlfilmen so selten wohlfühlt. Die Wege der Liebe sind unergründlich, der sympathischste Charakter ist ein Chauvi.
Es läuft nicht gut für Hein, den Krabbenfischer. Seine Frau hat ihn verlassen, das unstete Leben als Fischersfrau war ihr zu viel. Jetzt bombardiert sie ihn mit Briefen, damit er endlich in die Scheidung einwilligt. Er denkt nicht einmal daran. Zudem kauft ein holländischer Großfischer in Heins ostfriesischer Heimat die Familienbetriebe auf, drückt die Preise und bedroht Heins Existenz.
Und Heins Mutter, die einst als schnellste Krabbenpulerin der Region ihr Geld verdiente, muss sich mit einer kleinen Imbissbude über Wasser halten, weil die Meerestierchen mittlerweile im 2.500 Kilometer entfernten Marokko gepult werden, bevor sie in Deutschland wieder auf den Tisch kommen. Ist eben billiger. Die Globalisierung ist in Heins kleinem, mit efeubewachsenem Haus hinterm Deich angekommen. Das geordnete Leben, das er kannte, ist vorbei. Kein Wunder, dass er den ganzen Tag griesgrämig durchs Dorf stapft.
Als dann auch noch sein Kutter streikt, hat Hein die Schnauze endgültig voll. Von seinem besten (und einzigen) Freund lässt er sich überreden, für ein paar Tage mit nach Marokko zu fahren. Matze ist Lkw-Fahrer und bringt die Krabben dorthin. Er verspricht Hein: „In Marokko ist die Frau noch die Frau und der Mann noch der Mann.“ Er finde dort bestimmt eine willfährige junge Fatima, die zu ihm in den Norden zieht und ein wenig Ordnung in sein Leben bringt.
Natürlich findet Hein in Tanger tatsächlich eine Frau – und natürlich ist sie alles andere als ein Heimchen. Die Anti-Fatima heißt Mona, ist klug, tough, selbstbewusst, hübsch und ein bisschen geheimnisvoll. Sie alltagsphilosophiert („Der Tod scheidet nicht, das Leben scheidet“) und tanzt zu orientalischer Musik – und verdreht Hein, den Peter Heinrich Brix sauertöpfisch und maulfaul gibt, mit ihrem Lächeln den Kopf. Zwischen den beiden entsteht ein kleiner Zauber.
Warum das allerdings so ist, bleibt vollkommen schleierhaft – wie so viele Wendungen und Charaktere in diesem träge erzählten Film. So auch die Motivation, die Mona (Sanaa Alaoui) antreibt, die Einladung des Ostfriesen anzunehmen, ihn an der Nordsee zu besuchen und direkt mal drei Monate zu bleiben.
Seichter Käse
Als sie ankommt, tänzeln die beiden unbeholfen umeinander herum, gesprochen wird wenig, aber Hein ist ja auch Ostfriese und kein Schnacker. Es könnte in diesem Moment süß werden, aber Regisseur Lars Jessen lässt es lieber Klischees regnen: kreischende Möwen über dem Meer, Wattwanderungen, säuselnde Kitschmusik, Friesennerze. Als Hein Mona fragt, wie es hier denn so sei im deutschen Norden, antwortet sie: „Flach.“ Genau das ist auch das Drehbuch.
Was dann folgt, ist schnell erzählt: Mentalitäten und Gewohnheiten prallen aufeinander: Sie kocht zu scharf, bei seiner Mutter gibt es Birnen, Bohnen und Speck. Ein paar rassistische Ressentiments werden zuerst gepflegt und dann niedergerungen, der Zickenkrieg zwischen Mona und Heins Ex Rieke (toll: Anna Loos) ist eigentlich gar keiner, und am Ende obsiegt die Liebe, die natürlich keine Grenzen kennt.
Wäre da nicht Bjarne Mädel, der Heins Freund Matze, diesen sehr witzbegabten und liebenswürdigen Chauvi, so verkörpert, dass man mit ihm gerne ein Bier trinken gehen würde, könnte man „Fischer fischt Frau“ kaum ertragen. Matze streut immer mal wieder einen guten Spruch ein und unterbricht die völlig unmotivierte, unerklärliche und unglaubwürdige Liebesgeschichte zwischen den Protagonisten in kleinen Parallelsträngen. Das war’s dann aber auch.
Die Globalisierungskritik bleibt bloß eine Andeutung, Kritisches oder Substanzielles hat diese Möchtegern-Liebeskomödie nicht zu bieten – eine stringente Erzählung ebenso wenig.
Beim Zweiten Deutschen Fernsehen läuft so ein seichter Käse unter dem Label „Wohlfühlfilm“. Wenn dieses Wort auftaucht, das bestätigt sich immer wieder, bleibt nur eines zu tun: umschalten.
„Fischer fischt Frau“, 20.15 Uhr im ZDF
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