Fische schützen: Öko-Stromer rufen um Hilfe
Die Betreiber kleiner Wasserkraftwerke wünschen sich mehr Geld und weniger Behörden-Willkür.
Sie wurden dorthin gebaut, wo es viel Gefälle gibt – und Flüsse: kleine Wasserkraftwerke. 255 davon gibt es zur Zeit in Niedersachsen, vor allem an den Flüssen Innerste, Oker, Rhume und Leine. Zur Zeit liefern sie mehr als zwei Prozent des Stroms, der in dem Bundesland produziert wird. Das könnte durchaus noch mehr werden: „Es gibt viele Interessenten, die aus ökologischen Gründen kleine Wasserkraftwerke bauen würden, um die Ziele der Energiewende zu unterstützen“, sagt Hans-Jürgen Schöningh, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Doch es gebe ein Problem mit der Bürokratie: „Die Behörden verhindern das, weil sie immer neue Hürden aufstellen, so dass sich eine Investition nicht mehr rechnet“, sagte Schöningh auf der Jahrestagung des Verbandes am Wochenende in Celle.
Hauptthema ist der Fischschutz: Nach einer EU-Wasserrahmenrichtlinie müssen bis 2016 die Wasserkraftwerke so umgerüstet werden, dass die Durchgängigkeit des Flusses zum Schutz der Fische gewährleistet ist. Verbunden damit sind Kosten in sechsstelliger Höhe pro Kleinanlage – je geringer die Leistung, umso geringer der Anreiz für eine Investition.
Deshalb fordern die Betreiber: „Wir brauchen für sehr kleine Anlagen eine deutlich höhere Vergütung für den Strom“, sagt Harald Uphoff, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke. Ansonsten würden viele Wasserkraftwerke einfach stillgelegt. Dieser Trend sei schon heute zu beobachten. „Die Betreiber sind meistens Privatpersonen, denen fehlt oft schlicht das Geld und die Perspektive“, sagt Uphoff.
Die Wasserkraft hat 2010 nach Angaben der Internationalen Energieagentur 2,3 Prozent zur weltweiten Energieproduktion beigetragen. Sie erzeugt eine hochwertige Energieform: Strom.
Laufwasserkraftwerke werden in die Sperrwehre von Flüssen eingebaut. Das hindurch strömende Wasser treibt Stromgeneratoren an. Sie liefern stetig Energie, so dass sie helfen können, das Stromnetz zu stabilisieren.
Speicherkraftwerke ermöglichen es, Strom "aufzubewahren". Weht der Wind zu doll, wird mit dem überschüssigen Strom Wasser in ein hoch gelegenes Becken gepumpt. Wird Strom benötigt, lässt man das Wasser durch Turbinen ins Tal rauschen.
Wellen- und Gezeitenkraftwerke spielen eine kleine Rolle.
Dabei ließe sich mit mehr Geld für die Wasserkraftanlagen-Betreiber auch mehr für den Fischschutz tun: Uphoff stellte eine Studie vor, nach der nur 45 Prozent der Aale aus Leine, Aller und Weser in die Nordsee gelangen. Bei einer Modernisierung der Wasserkraftwerke könnten fast doppelt so viele Aale diesen Weg schaffen.
„Der Aalbestand ist im Vergleich mit 1950 auf ein Prozent geschrumpft und deshalb besonders schutzwürdig“, sagt Uphoff. Die Wasserkraft sei ein Eingriff in die Ökologie und gleichzeitig eine wichtige Quelle von regenerativer Energie. „Die Probleme der Gewässer werden nicht gelöst, wenn man die Anlagen abstellt“, so Uphoff.
„Der von uns erzeugte Strom wird ins Netz eingespeist, er reicht für etwa 250 Haushalte“, sagt Rudi Marquardt, er ist Geschäftsführer eines Stahl- und Maschinenbauunternehmens, das auch Wasserkraftwerke repariert und betreibt selbst an der Rhume eine Anlage. Er sagt: „Wenn wir in neue Technik investieren müssen, werden wir das tun.“ Dann müsse die Anlage eben länger laufen, damit es sich rechne.
Er berichtet vom Abriss eines Wehrs in der Nähe seines Wasserkraftwerks, wo ein Investor eine alte Anlage reaktivieren wollte. Für ihn eine vertane Chance: „Der Landkreis Göttingen wirbt für Investitionen in erneuerbare Energien und gleichzeitig veranlasst eine Landesbehörde den Abriss eines Wehrs an einer Stelle, wo mit Wasserkraft Strom hätte erzeugt werden können.“
Marquardt beklagt zudem Willkür der Behörden, die ihren Ermessensspielraum je nach Sachbearbeiter ganz unterschiedlich interpretieren. Mal laufe die Zusammenarbeit sehr gut, mal versuchten Betreiber kleiner Wasserkraftwerke seit Jahren vergeblich, die nötigen Genehmigungen für Modernisierungen zu bekommen.
Nachdem die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg die Betreiber von Kleinwasserkraftwerken bei Umrüstungen finanziell unterstützen will, hat auch die neue rot-grüne Landesregierung in Hannover eine entsprechende Förderung angekündigt. In Celle plädierte der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) für einen Dialog zwischen Naturschutz und Betreibern von Wasserkraftwerken. „Die Sicherung der Artenvielfalt in den Flüssen ist ein wichtiges staatliches Ziel, die Erzeugung von regenerativer Energie durch Wasserkraftwerke ebenso“, sagt Wenzel. Es müsse immer eine Einzelfallabwägung geben. Für Hartmut Walcher, Geschäftsführer eines Herstellers von Wasserkraftwerkstechnik, könnten viele Probleme gelöst werden, wenn man sich besser zuhören würde. Der Streit werde sehr emotional geführt. „Für viele Angler sind Wasserkraftwerksbetreiber Mörder und die Reaktion der Gegenseite ist entsprechend.“
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