Firmen suchen Azubis in Spanien: iVamos a Sögel!
Das Emsland sucht in Spanien nach neuen Auszubildenden. In der Region soll es keine passenden Bewerber geben. Die ersten Kandidaten kommen im April.
HAMBURG taz | Papenburg, Werlte und Sögel sind nicht unbedingt als Party-Hochburgen oder Ferienparadiese bekannt. Trotzdem stoßen die Gemeinden im Emsland bei spanischen Jugendlichen auf großes Interesse. Der Grund: Hier winkt ihnen ein Ausbildungsplatz.
Ein Bündnis lokaler Wirtschaftsverbände möchte freie Ausbildungsstellen in handwerklichen und metallverarbeitenden Betrieben an junge Spanier vermitteln. Auf dem eigenen Arbeitsmarkt finden die Unternehmen nach eigenen Angaben keine passenden Bewerber. "Schon seit Jahren nicht", sagt Hermann Schmitz, von der Kreishandwerkerschaft Aschendorf-Hümmling.
Also beschloss die Kreishandwerkerschaft gemeinsam mit dem Wirtschaftsbündnis Ems-Achse und der Samtgemeinde Sögel im europäischen Raum nach geeigneten Bewerbern zu suchen. Ein Oldenburger Consultingbüro stellte die Verbindung zu spanischen Schulen her. Mittlerweile gibt es rund 120 Bewerber, davon sollen 20 bis 30 für ein Praktikum ins Emsland eingeladen werden.
Die allgemeine Arbeitslosenquote liegt im Emsland bei 3,9 Prozent.
Bei den unter 25-jährigen sind es 3,1 Prozent.
Nach offiziellen Angaben sind aktuell 338 Lehrstellen nicht besetzt.
Zwölf Jugendliche haben keinen passenden Ausbildungsplatz gefunden.
Ein Auszubildender verdient im ersten Lehrjahr je nach Berufszweig zwischen 400 und 800 Euro pro Monat.
Die spanischen Auszubilden sollen zusätzlich mit 350 Euro pro Monat unterstützt werden.
Die Kosten teilen sich die Samtgemeinde Sögel und die Ems-Achse. Während der späteren Ausbildung sollen die Betriebe zusätzlich zur Ausbildungsvergütung für Unterkunft, Sprachkurse und Betreuung aufkommen.
Die Ems-Achse strebt eine Förderung aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) an. Ob das Aussicht auf Erfolg hat, ist allerdings ungewiss: Eine Subventionierung von Löhnen durch den ESF sei "nicht vorgesehen", erklärt das Bundesarbeitsministerium auf Nachfrage.
Auf die Suche nach Bewerbern in Spanien habe sich das Bündnis "aus der Not heraus" gemacht, sagt Schmitz. Von ebensolcher Not dürften auch die Bewerber aus Spanien getrieben sein. Die Jugendarbeitslosigkeit dort lag 2010 bei 41,6 Prozent, Tendenz steigend - ein Spitzenplatz im europäischen Vergleich.
Im Emsland liegt die Jugendarbeitslosigkeit deutlich darunter. Gründe für den aktuellen Azubi-Mangel sind nach Ansicht von Dirk Lüerßen, dem Geschäftsführer des Wirtschaftsbündnisses Ems-Achse, das Wirtschaftswachstum und der demografische Wandel. Die Tendenz: mehr Arbeitsplätze und weniger junge Arbeitsuchende. "Die Fachkräftelücke wird mit hiesigen Kräften nicht zu decken sein", vermutet Lüerßen.
Das sieht man bei der IG Metall etwas anders: "Es gibt im Emsland noch genug unversorgte Stellenbewerber", sagt Gewerkschaftssekretär Stephan Soldanksi. Viele Unternehmen hätten es lange Zeit verpasst, selbst auszubilden.
Einer der größten Arbeitgeber der Region ist die Meyer-Werft in Papenburg. Von der Initiative habe er durch die Presse erfahren, sagt Dirks Kreutzmann, zuständig für die Erstausbildung bei der Werft. "Im Moment haben wir aber gar keinen Bedarf." Auf die 50 bis 60 Ausbildungsstellen haben sich im vergangenen Jahr 800 Bewerber gemeldet. Die Prominenz des Unternehmens sei dafür nicht der wichtigste Grund, sagt Kreutzmann.
Die Werft stehe in engem Kontakt mit den Schulen der Region. Es gebe andere Unternehmen, "die sehr wenig tun und hinterher laut schreien". Für die Unternehmen in Sögel will Hans Nowak, erster Gemeinderat der Samtgemeinde, das nicht gelten lassen. Gerade kleinere Handwerksbetriebe hätten es schwer: "Die inserieren noch und nöcher."
Zunächst müssen die Kandidaten aber ins Emsland kommen. Die Ankunft im April will die Ems-Achse durch Sprachkurse und eine gemeinsame Unterbringung im Jugendgästehaus Papenburg erleichtern. Hier gibt es für die gemeinsame Abendgestaltung immerhin einen Tischkicker.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“