■ Finnland macht mobil – gegen Norwegen: Behördlicher Flüchtlingsschmuggel?
Helsinki (taz) – AutofahrerInnen, die derzeit im finnischen Lappland unterwegs sind, müssen sich im Grenzbereich zu Norwegen und Schweden auf Begegnungen einer ganz besonderen Art einstellen: Schwerbewaffnete finnische Soldaten lauern am Straßenrand, stoppen mit der Maschinenpistole im Anschlag Autos und durchsuchen sie – wozu sie angesichts der offenen innernordischen Grenzen eigentlich überhaupt kein Recht haben. Ihre KollegInnen vom finnischen Zoll wurden von den Aktionen genauso überrascht wie die nicht vorgewarnten Behörden in den Nachbarländern. Die Begründung des Chefs der finnischen Grenzsoldaten in Lappland, Aaro Moilanen, für die bislang in diesen Breitengraden ungewöhnlichen Aktivitäten: Man habe Beweise dafür, daß die Flüchtlingsbehörden der nordischen Nachbarländer, vor allem Norwegen, die offene Grenze nutzen, um Flüchtlinge nach Finnland zu schmuggeln. Sie wollten damit ihre Kassen entlasten.
Der offizielle Protest aus Oslo ließ nicht lange auf sich warten. Abgesehen davon, daß zwischenstaatliche Verträge durch den Militäreinsatz verletzt würden, wolle man doch bitte schön Beweise für die seltsamen Anschuldigungen haben. Doch damit sieht es schlecht aus. Zwar versuchen tatsächlich vereinzelt Flüchtlinge, deren Asylantrag in Norwegen oder Schweden abgelehnt wurde, in Finnland einen neuen Antrag zu stellen, aber den behaupteten „behördlichen Flüchtlingsschmuggel“ gibt es offensichtlich nicht. Versucht man, genaue Zahlen über den angeblich umfassenden Grenzverkehr herauszubekommen, wird die ganze Aufregung noch unverständlicher. Nach Auskunft des Roten Kreuzes im lappländischen Verwaltungssitz Rovaniemi, das für die Flüchtlingsaufnahme zuständig ist, sind „etwa 20 Flüchtlinge aus Kosovo“ in den letzten Monaten über die norwegisch-finnische Grenze gekommen, um in Finnland einen Asylantrag zu stellen. Jedoch werden die Zahlen und Fakten anscheinend auch in Zukunft den Einsatz der Bewaffneten nicht stören: Finnlands Innenminister Mauri Pekkariner erklärte ausdrücklich sein Einverständnis mit der Vorgehensweise des Chefs der Grenzsoldaten.
Innerhalb der Mehrheit der finnischen Bevölkerung kann man nämlich mit einer harten Hand gegen den „gewaltigen Flüchtlingsstrom“ bequem Sympathien gewinnen. Nach Finnland kamen im letzten Jahr 3.600 Flüchtlinge; ins Nachbarland Schweden 83.200. Reinhard Wolff
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