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Finnische Schüler nach AmoklaufWut über dreiste Journalisten

Finnische SchülerInnen fühlen sich nach dem Amoklauf ausgenutzt und fordern eine Entschuldigung. "Die Medien haben sich unmenschlich und schamlos verhalten", so eine Krisenpsychologin.

Schüler der Joleska-Schule: Opfer von sensationsgierigen Medien. Bild: ap

STOCKHOLM taz Wie verantwortungsvoll sind eigentlich Medien, die nach einem Amoklauf mit laufenden Kameras vor Schule und Krisenzentrum warten und sich auf jeden noch so geschockten Menschen stürzen, um ein Statement zu bekommen? Trauernde und weinende Menschen fotografieren und filmen und die Bilder ohne Zustimmung der Betroffenen weltweit verbreiten? Sie benehmen sich unethisch und verantwortungslos meinen nun die, die sich von den Medien ausgenutzt und nicht respektiert fühlen. SchülerInnen und BewohnerInnen des finnischen Orts Jokela, Platz des Schulamoklaufs mit acht Toten vor zweieinhalb Wochen.

2000 Unterschriften haben sie gesammelt und jetzt in Helsinki an den finnischen Ministerpräsidenten Matti Vanhanen überreicht. In einer Erklärung beklagen sie sich über Sensationsgier und Rücksichtslosigkeit der Medien und wollen eine Entschuldigung haben. Einige der Initiatoren, jetzige und ehemalige Schulkameraden des Amokläufers, wissen, wovon sie reden. Spontane Sätze, die sie im ersten Schock vor den Kameras geäussert hatten, gingen als vermeintliche Wahrheiten rund um die Welt. Selbst ausdrückliche Bitten, das Gesagte doch nicht auszustrahlen oder Bilder nicht zu veröffentlichen wurden nicht berücksichtigt.

"Es war nicht nur die Boulevardpresse", sagte Ville Korhonen bei der Überreichung der Unterschriften, "die angeblich seriösen Medien haben sich genauso schlecht verhalten." Und Schulkamerad Tuomas Pulsa stimmt zu: "Minderjährige wurden ohne Zustimmung der Eltern interviewt und Journalisten riefen sogar die Handys von Schülern an, die noch in der abgesperrten Schule waren." Teilweise hätten Journalisten versucht, mit Gewalt in Häuser einzudringen, um an Interviews zu kommen.

Die Krisenpsychologin Salli Saari, selbst tagelang in Jokela vor Ort, beurteilt die Vorgänge genauso kritisch: "Die Medien haben sich unmenschlich und schamlos verhalten. Es ist unverantwortlich, unter Schock stehende Menschen zu interviewen. Viele können da überhaupt nicht einschätzen, auf was sie sich da einlassen." Noch unverantwortlicher sei es, diese Interviews dann auch noch gegen den Willen Betroffener auszustrahlen. Die finnische Kinderombudsfrau Maria Kaisa Aula forderte eine konkrete Untersuchung der Vorgänge.

Ministerpräsident Vanhanen stimmte der Kritik teilweise zu: "Gerade als Ex-Journalist muss ich sagen, dass manche sich sehr frech verhalten und Grenzen überschritten haben. Aber wir haben eine freie Presse und deshalb hat die Regierung nicht die Absicht hier gesetzlich einzugreifen. Wir hoffen, dass die jetzige Debatte für die Zukunft etwas ändert.“ Der Journalistenverband reagierte bislang lediglich mit einem allgemeinen Appell: Die kritisierten JournalistInnen sollten "die Motive für ihr Handeln öffentlich begründen".

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2 Kommentare

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  • A
    anne

    von ap natürlich

  • MN
    Mein Name

    da würde es mich schon interessieren woher die taz das den Artikel bebildernde Foto her hat...