Finanzprobleme auf Schalke: Magath macht`s möglich
Schalke 04 steht am finanziellen Abgrund, doch glaubt an den Gewinn der Meisterschaft. Man hat schließlich einen Magier, dem sogar eine Lichtgestalt alles zutraut.
GELSENKIRCHEN taz | Auch lange nach dem Abpfiff des mitreißenden 3:3 zwischen Schalke 04 und dem Hamburger SV waren die Menschen auf dem Berger Feld berauscht von den Glückshormonen, die im Überfluss ausgeschüttet worden waren. Augen leuchteten, Euphorie lag in den Stimmen.
Und irgendwann sprach Franz Beckenbauer aus, was auf Schalke derzeit nur heimlich gedacht wird. Das Gesicht der Lichtgestalt war auf den Bildschirmen im VIP-Bereich erschienen und der Moderator fragte: "Kann Schalke 04 schon in dieser Saison Meister werden?" Beckenbauer musste nicht überlegen: "Ich traue Felix Magath alles zu." Schalker Köpfe nickten zustimmend.
Nun muss der allgegenwärtige Magath auch noch den Realitätssinn des Anhangs schärfen. "Wir sind noch keine Spitzenmannschaft", sagte er nach dem Spiel wieder und wieder, "der HSV war hier die reifere Mannschaft", und ein Mann mit Bierbecher in der Hand flüsterte: "Aber dafür haben wir Magath." Es hat sich ein erstaunlicher Glaube an die magischen Kräfte des neuen Trainers und Managers entwickelt. Im Gegensatz zu allen anderen Klubangestellten gelingt es dem 48-Jährigen sogar, offen und ehrlich über die prekäre Finanzlage zu sprechen.
Wahrscheinlich wäre ohne diesen Erfolgsmenschen längst Panik ausgebrochen angesichts der Schulden und der Liquiditätsprobleme. Mit Magath aber wagen die Schalker den großen Traum. "Ich habe in diesem Spiel gesehen, dass uns noch viel fehlt", sagte Magath zwar, doch die Mentalität dieser wenig prominent besetzten Mannschaft ist beeindruckend. "In den Köpfen hat sich etwas verändert", berichtete der zweifache Torschütze Kevin Kuranyi, "die Stärke der Mannschaft zeigt, dass wir jetzt fit genug sind." Nur fußballerisch müsse sich das Team noch verbessern, sagte er.
Die Sache mit der spielerischen Verbesserung ist eine alte Geschichte auf Schalke. Weil die Mannschaft fußballerisch stagnierte, musste einst Mirko Slomka den Klub verlassen, sein Nachfolger Fred Rutten sollte Spielkultur entwickeln, stattdessen raubte er dem Team seine Kampfkraft. Magath attestierte seiner Mannschaft nun "Leidenschaft und große Emotionen", Schalke ist seiner ursprünglichen Identität wieder sehr nah. Auch das ist ein wichtiger Aspekt der gegenwärtigen Erfolgsgeschichte, die am Mittwoch im DFB-Pokal bei 1860 München fortgeschrieben werden soll.
Wenn man so will, passen sogar die Geldsorgen zu dieser Entwicklung, denn auch die haben ja Tradition auf Schalke. Allerdings gab es noch nie einen Mann in verantwortlicher Position, der derart souverän damit umgeht. Schalkes Schuldenberg ist mit bis zu 250 Millionen Euro enorm, das war nie ein Geheimnis und ist auch nicht das Hauptübel.
Der Klub wäre trotz dieser Schulden fast Meister geworden, stand im Uefa-Cup-Halbfinale und im Champions-League-Viertelfinale. Zins und Tilgung sind zwar teuer, dafür generiert das Stadion, das von dem Geld gebaut wurde, aber auch entsprechende Einnahmen. Vor diesem Hintergrund sagte Magath am Sonntag, "ich vertraue darauf, dass Peter Peters, unser Finanzchef, das in den Griff bekommt".
Das Hauptproblem bleibt, dass Kader und Trainerstab viel zu teuer sind und mit den Einnahmen dieser Saison nicht bezahlt werden können. Es fehlt Geld, und dieser Umstand hat eine Kettenreaktion in Gang gesetzt. Offenbar wurden zumindest vorrübergehend Konten geleert, von denen die vom Finanzmakler Stephen Schechter vermittelte 85-Millionen-Euro-Anleihe bedient werden sollte.
Wegen diesem Verstoß droht Schechter nun mit einem Ende des Geschäfts, wenn er das durchsetzt, müsste der Klub inklusive Vorfälligkeitsentschädigung sofort 105 Millionen zurückzahlen. Außerdem ist die Deutsche Fußball-Liga bloß gestellt, weil die sich fragen lassen muss, wie es passieren konnte, dass sie die massiven Liquiditätsprobleme in ihrem Lizenzierungsverfahren übersehen konnte. Der Verband ermittelt.
Wenn Magath da wieder rauskommt, dann ist ihm wirklich alles zuzutrauen.
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