■ Finanzminister Waigel verwaltet einen Etat mit Löchern: Her mit der Haushaltssperre!
Eigentlich haben es alle geahnt. Die Bundesregierung hat sich von ihrer Parlamentsmehrheit im vergangenen Herbst einen Haushalt genehmigen lassen, der löcherig wie ein Schweizer Käse ist.
Finanzminister Theo Waigel und Wirtschaftsminister Günter Rexrodt ließen sich die Zahlen für das Wirtschaftswachstum 1996 schönrechnen, um bei der europäischen Debatte um die Währungsunion als Musterknaben auftreten und harte Entscheidungen bei den Ausgaben des Bundes hinausschieben zu können. Inzwischen ist klar: Die deutsche Wirtschaft wird 1996 kaum wachsen, weniger Steuereinnahmen und mehr Ausgaben für Arbeitslose und sozial Schwache sind die Folge.
Wenn schon Anfang März deutlich wird, daß im Haushalt für das laufende Jahr 20, womöglich sogar 30 Milliarden Mark fehlen und baldmöglichst eine Haushaltssperre verfügt werden muß, ist das ein in der Geschichte der Bundesrepublik bislang einmaliger Vorgang. Und wenn die Opposition neue Steuerschätzungen und einen Nachtragshaushalt verlangt, ist dies nur recht und billig. Schließlich ist das Parlament der Ort, in dem über die Ausgaben dieses Staatswesens eigentlich entschieden werden soll.
Doch die drohende Haushaltssperre selbst ist auch eine Chance. Wenn nämlich tatsächlich alle Ausgaben von einer bestimmten Größe an noch einmal vom Finanzministerium gesondert genehmigt werden müssen, stehen nicht so sehr die gesetzlich vorgeschriebenen Sozialleistungen auf dem Prüfstand. Vielmehr werden alle jenen unsinnigen Prestige- und Lieblingsprojekte dieser Regierung noch einmal durchleuchtet, die schon bisher viel Kritik auf sich gezogen haben.
Selbst dem flüchtigen Zeitungsleser müßten unmittelbar ein halbes Dutzend Vorhaben allein aus dem Etat von Verkehrsminister Wissmann einfallen: die Autobahn A20 durch das dünnbesiedelte Mecklenburg-Vorpommern, für die es keinen Bedarf gibt; die ICE-Strecke von Nürnberg über Ingolstadt nach München, die Hunderte von Millionen mehr kostet als eine vom Rechnungshof empfohlene Alternativstrecke; der gigantische Auto- und Eisenbahntunnel unter dem künftigen Regierungssitz und die Kanzler- U-Bahn am Berliner Prachtboulevard Unter den Linden; schließlich der milliardenteure Transrapid, von dem sich der Baukonzern Dywidag eben erst wegen politischer Risiken verabschiedet hat.
Herr Waigel, folgen sie Dywidag! Steigen sie aus! Hermann-Josef Tenhagen
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