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FinanzkriseSchiffe nicht mehr ein und alles

Um den starken Wirtschaftsabschwung zu überstehen, haben viele Werften ihre Produktpalette diversifiziert: Sie sanieren Schleusen, bauen Pontons und Fischtreppen.

Kein Schiff weit und breit: Die Altenwerder Schiffswerft baut inzwischen auch anderes. Bild: Marco Carini

Friedrich Baumgärtel hat schwere Monate hinter sich. "Halbiert" habe sich der Umsatz innerhalb von nur zwölf Monaten, erinnert sich Baumgärtel mit Schrecken an 2009, das Jahr der Krise. Eine Krise in der kaum eine Branche so gelitten habe, wie die in der er tätig ist. "Das war knapp an der Pleite vorbei", sagt der Geschäftsführer der Altenwerder Schiffswerft in Hamburg.

Mit der Wucht eines Tsunamis wurden die norddeutschen Werften von der Wirtschaftskrise getroffen. 60 Stornierungen im Wert von 2,2 Milliarden Euro allein bei den Schiffsneubauten haben sie seit Herbst 2008 verkraften müssen. Dazu tobt ein ruinöser Verdrängungswettbewerb im internationalen Schiffsbau: Immer mehr asiatische Billiganbieter drängen in den internationalen Markt, aber auch staatlich hoch subventionierte europäische Konkurrenten machen den deutschen Werften das Leben schwer.

Während einige große Werften, wie Lindenau, Wadan oder Hegemann ihren Untergang mit Millionen-Hilfe vom Staat verhindern konnten, waren die vielen kleinen Werften beim Weg durch die Krise meist auf sich allein gestellt. Rund 15 Prozent des Gesamtvolumens zahlen die Kunden bei Auftragserteilung, den Rest müssen die Schiffsbauer über Bürgschaften und Kredite finanzieren. Doch in der Krise zeigten sich die ins Schlingern geratenen Banken gegenüber den Werften zugeknöpft.

Werftenkrise

Niedergang: Der Umsatz der deutschen Werften brach im Krisenjahr 2009 um 41 Prozent ein. Eine nachhaltige Besserung scheint, trotz einzelner Neuaufträge, selbst bei den wenigen Vorzeigewerften wie der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft nicht in Sicht.

Hoffnung: Die insolvente Kieler Lindenau-Werft freut sich über neue Aufträge. Das Unternehmen wird die deutschen Forschungsschiffe "Poseidon" und "Alkor" instand setzen. Mit den abgeschlossenen Verträgen sind rund 60 der etwa 90 Arbeitsplätze auf der Werft vorläufig gesichert.

Kurzarbeit, Entlassungen, Staatsbürgschaften und Millionenkredite prägten deshalb in den vergangenen Monaten die Schlagzeilen - sechs norddeutsche Schiffsbauer mussten in diesem Zeitraum Insolvenz anmelden. Ende 2009 waren noch rund 20.000 Menschen im Schiffsbau in Deutschland beschäftigt - gut 15 Prozent weniger als noch im Jahr zuvor. Und auch im laufenden Jahr wird die Zahl nach allen Prognosen erneut kräftig sinken.

Doch mit dem wieder anziehenden Welthandel werden sich auch die Auftragsbücher langsam wieder füllen. Auch Baumgärtel sieht "ein Licht am Ende des Tunnels". Das liegt weniger an den positiven Wachstumsprognosen, sondern eher daran, dass Baumgärtel rechtzeitig gegengesteuert hat. "Wir haben in den vergangenen Jahren mit neuen Produkten und Dienstleistungen neue Märkte erobert und Nischen besetzt und uns damit von unserem Kerngeschäft - der Reparatur von Schiffen unabhängiger gemacht", sagt Baumgärtel. Ein Rezept, ohne das es die 1984 gegründete Werft, die einst 45 und heute noch 15 Mitarbeiter beschäftigt, wohl nicht mehr geben würde.

Dabei stand ein Problem am Anfang der Entwicklung, die nun zum Segen wurde. 1997 wurde die Altenwerder Schiffswerft nach Wilhelmsburg vertrieben, weil die Werftflächen für die anstehende Erweiterung des Hamburger Hafens gebraucht wurde. Mit dem alten Firmensitz verlor das Unternehmen den direkten Wasserzugang und damit die Möglichkeit, reparaturbedürftige Schiffe am eigenen Firmengelände andocken zu lassen.

Neue Geschäftsfelder mussten her, sollte die Werft nicht Schiffsbruch erleiden. Sie wurden gesucht und gefunden. In den vergangenen zehn Jahren hat der 50-jährige Baumgärtel seine Werft komplett neu ausgerichtet. Schiffsumbauten und reparaturen, auf die das Unternehmen in der Anfangszeit spezialisiert war, machen heute gerade noch 20 bis 30 Prozent des Auftragsvolumens aus und sind seit dem Beginn der globalen Krise weiter stark rückläufig.

Statt auf traditionelle Werftarbeit zu setzen, ist das Unternehmen zum Allrounder der Branche geworden. Heute verdient die Altenwerder Schiffswerft ihr Geld auch im Bereich Hochwasserschutz mit Flutschutztoren; sie baut und vertreibt von ihr eigens entwickelte Container-Pontons, saniert Schleusen, in deren Anstrich giftiges Asbest lauert und hat sich zudem im Bereich des maritimen Stahlbaus einen Namen gemacht.

Aussichtsplattformen, Elemente von Fischtreppen und sogar Brückengeländer gehören inzwischen zum Repertoire der Werft. "Als modernes Dienstleistungsunternehmen muss man heute auf verschiedenen Standbeinen stehen", findet Baumgärtel und ergänzt, "Eine Spezialisierung reicht heutzutage nicht mehr aus. Die Kunden wünschen sich Unternehmen, die sie gleich für mehrere Maßnahmen buchen können."

Diversifizierung laute die Devise. Dabei sei eine Werft klassischen Stahlbauunternehmen oft überlegen, sagt Baumgärtel: "Unsere Mitarbeiter denken nicht in Schablonen, weil an Bord immer stark improvisiert wird und eine kreative Lösung gefunden werden muss." Letztendlich sei es egal, ob die Werft ein Schiffsheck forme oder ein geschwungenes Blechdach für ein Gebäude modellieren müsse. Das sei "im Prinzip dieselbe Arbeit".

Neue Märkte erobern, Nischen besetzen, weg von den klassischen Geschäftsfeldern - diesen Weg sind in der Krise viele der norddeutschen Werften gegangen. So stellte die Bremerhavener Lloyd Werft ihr Unternehmenskonzept auf drei Säulen um: Schiffsreparaturen werden ergänzt durch die Felder Umbau und Fertigbau.

Auch die ebenfalls in Bremerhaven beheimatete SSW Schichau Seebeck Shipyard vereinte ihr Schiffsbau-Knowhow mit einem Stahlbetrieb. Andere gaben den Schiffsbau ganz auf: So wollen etwa die Nordseewerke in Emden in Zukunft Komponenten für Windkraftanlagen herstellen. Vergangenen Dezember haben sie das letzte Handelsschiff vom Stapel gelassen.

Wieder andere Werften folgen der Empfehlung der Verbandes für Schiffsbau und Meerestechnik, sich weiter zu spezialisieren. Im klassischen Bereich seien vor allem der Sonderschiffsbau und die Präzisionsarbeit bei der Reparatur immer gefragter. "Es gibt verschiedene Wege heraus aus stürmischer See", sagt Friedrich Baumgärtel über eine Branche.

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