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Finanzkrise im KleinformatKommunen werden klammer

Auch reiche Städte wie München fürchten angesichts der drohenden Rezession einen massiven Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen. Eine Finanzreform sei überfällig.

Münchens Kassenwart: "2009 werden wir von der Substanz leben". Bild: dpa

Der Bücherbus der Stadtbibliothek fährt gerade seine letzte Runde. Das letzte Freibad wird im nächsten Jahr geschlossen, die öffentlichen Gebäude sind marode: Oberhausen ist pleite. "Wir haben aktuell 1,6 Milliarden Euro Schulden", stöhnt SPD-Oberbürgermeister Klaus Wehling. "2009 werden es 1,7 Milliarden sein, und das geht so weiter."

Mit Kohle und Stahl sei das industrielle Rückgrat der Ruhrgebietsstadt verschwunden: In den vergangenen 40 Jahren habe Oberhausen jeden zweiten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz verloren, das waren 50.000 Jobs, klagt Wehling. Mit der Gewerbesteuer ist die Haupteinnahmequelle der Revierstadt weggebrochen, andererseits stiegen die Sozialausgaben - die Arbeitslosenquote liegt aktuell bei 11,4 Prozent.

Jetzt steht die Revierstadt wie 107 weitere Kommunen allein in Nordrhein-Westfalen unter Haushaltssicherung - und damit faktisch unter der Kontrolle der Landesregierung in Düsseldorf. Doch die Vorschläge der Beamten würden seine Stadt nur noch weiter in die Krise treiben, klagt der Bürgermeister: "Die haben mir vorgeschlagen, die Gewerbesteuer zu verdoppeln - dabei sind wir zusammen mit München schon jetzt Spitzenreiter." Kein neues Unternehmen würde sich dann in Oberhausen ansiedeln. "Aus eigener Kraft kommen wir aus dieser Schuldenfalle nicht mehr heraus", sagt Wehling Er fordert neben einem NRW-Fonds, der die notleidenden Städte des größten Bundeslands entschulden soll, das Ende des Solidarpakts Ost. Schließlich habe Oberhausen seit 1990 trotz drohender Pleite über 200 Millionen Euro in Richtung Osten überwiesen: "Wir dürfen nicht mehr nach Himmelsrichtung, wir müssen nach Bedürftigkeit fördern."

Rostocks parteiloser Oberbürgermeister Roland Methling könnte sich damit sogar anfreunden - vorausgesetzt, die Stadt an der Ostsee bekäme Geld von Land und Bund. Denn auch in Mecklenburg-Vorpommern muss hart gespart werden. Zwar ist der Rostocker Haushalt dieses Jahr ausgeglichen, doch 220 Millionen Altschulden drücken. Methling hat deshalb die Preise für den Eintritt ins Schwimmbad ebenso erhöhen lassen wie die der Straßenbahnfahrkarten, spart bei Schuldner- und Drogenberatung wie bei der Aidshilfe. Sogar ein Viertel der Straßenlaternen hat der Bürgermeister abschalten lassen.

Und selbst aus reichen Städten wie der bayerischen Landeshauptstadt München kommen Klagen: Angesichts der drohenden Rezession fürchtet Stadtkämmerer Ernst Wolowicz einen massiven Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen und damit neue Schulden. "2009 werden wir von der Substanz leben", sagt Münchens Kassenwart.

Damit hat die Finanzmisere der Städte und Gemeinden das Zeug zum Wahlkampfschlager. Der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, hat Vertreter der kommunalen Spitzenverbände heute zum Krisengespräch gebeten - bei dem Treffen mit den Präsidenten und Geschäftsführern von Städtetag, Städte-und Gemeindebund und Landkreistag werden auch die SPD-Bundesminister für Finanzen und Infrastruktur, Peer Steinbrück und Wolfgang Tiefensee, dabei sein. Ziel ist ein zweites Konjunkturpaket: Die Städte sollen wieder investieren und so Arbeit vor Ort schaffen. "Warum müssen Eltern die Schulräume streichen, warum geht das nicht als Auftrag an den örtlichen Maler?", fragt SPD-Bundesparteichef Franz Müntefering bereits.

Unterstützung bekommt Müntefering von den Gewerkschaften. Jetzt sei die Zeit für Investitionen der öffentlichen Hand, findet DGB-Chef Michael Sommer und denkt an Krankenhäuser, die Verkehrsinfrastruktur, schnelle Internetanbindungen. "Wir haben massenhaft Bedarf nicht zuletzt bei Schulen, Kindergärten, Hochschulen", sagt Sommer - und klingt dabei wie Bundesbildungsministerin Annette Schavan: Auch die Christdemokratin fordert ein Milliardenprogramm zur Renovierung von Schulen und Hochschulen.

Zurzeit aber können viele Städte überhaupt nicht bauen und renovieren. Kommunen unter Haushaltssicherung sind nur noch sogenannte Pflichtausgaben erlaubt; jede nicht unbedingt nötige Investition muss gestrichen werden. Bund und Länder müssten dauerhaft mehr Geld zumindest für diese notleidenden Kommunen bereitstellen, fordert deshalb der Geschäftsführer des Deutschen Städte-und Gemeindebunds, Gerd Landsberg. Das Bundesfinanzministerium prüfe bereits Hilfsmöglichkeiten, sagt der Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, dazu.

Überfällig sei eine solche Finanzreform, finden auch Wissenschaftler wie der Politologe Martin Junkernheinrich, der die klammen Kommunen des Ruhrgebiets berät: Manche Städte und Gemeinden würden "Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte brauchen", um sich aus der Schuldenfalle zu befreien - und die würde durch den Wegfall von Steuereinnahmen in der Wirtschaftskrise noch bedrohlicher. "Wir stehen", sagt der Fachmann für Kommunalfinanzen, "am Vorabend einer neuen Finanzkrise der Städte und Gemeinden."

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