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Finanzkrise fordert TributBankensterben an der Wall Street

Lehman Brothers meldet Konkurs an, Merrill Lynch wird übernommen. Vor einem halben Jahr gab es noch fünf unabhängige Investmentbanken in New York - nun sind nur noch zwei übrig.

Da hilft nur noch Zynismus: Mo Grimeh, einer der Manager der Lehman-Bank, reagiert auf die Nachricht, dass die Notenbank nicht helfen will. Bild: reuters

NEW YORK dpa/rtr Die amerikanische Finanzbranche hat sich auf einen Schlag dramatisch verändert. Die schwer angeschlagene Investmentbank Lehman Brothers steht mit mehr als 600 Milliarden (!) Dollar Schulden vor dem Aus und beantragte am Montagmorgen Gläubigerschutz.

Damit nicht genug: Die Bank of America übernimmt die ebenfalls angeschlagene drittgrößte US-Investmentbank Merrill Lynch. Der Kaufpreis liege bei rund 50 Milliarden Dollar in Aktien, teilten dia Unternehmen am Montagmorgen mit. Damit gibt es jetzt mit Goldman Sachs und Morgan Stanley nur noch zwei unabhängige Investmentbanken an der Wall Street statt fünf vor einem halben Jahr.

Die US-Notenbank kündigte Maßnahmen zur Stützung der Finanzmärkte an. Zehn führende internationale Banken bildeten einen 70 Milliarden Dollar schweren Fonds, um sich gegenseitig aus möglichen Liquiditätsengpässen zu helfen. Dazu gehört auch die Deutsche Bank

Die verzweifelten Rettungsbemühungen für Lehman Brothers scheiterten letztlich daran, dass die US-Regierung in anderen Fällen geleistete Staatshilfen ausschloss und die Branche nicht bereit war, die milliardenschweren Risiken zu übernehmen. Die Lehman-Insolvenz schürte nun neue Ängste vor weltweiten Schockwellen an den Finanzmärkten.

Laut Feststellung des Gerichts war Lehman bereits Ende Mai mit 613 Milliarden Dollar verschuldet. Dem stand ein Wert von 639 Milliarden gegenüber.

Die Bank of America gehört zu den führenden US-Banken. Merrill Lynch war zuletzt wegen Milliardenverlusten und einem drastischen Kursverfall immer stärker unter Druck geraten. Erst vor sechs Monaten hatte die Investmentbank Bear Stearns wegen der Kreditkrise ihrem Zwangsverkauf an den Finanzkonzern J.P. Morgan Chase zustimmen müssen.

Nach Angaben von Lehman fallen die Broker-Sparten nicht unter das Gläubigerschutz-Verfahren nach Kapitel elf des US-Insolvenzrechts, zudem arbeiten diese Sparten weiter. Die US-Bank prüfe weiter den Verkauf der Broker-Sparten und des Investmentbankings. Die Bank of America war auch als rettender Käufer für Lehman Brothers in Gespräch, verlangte aber Regierungsgarantien.

Einbrüche an den Börsen

Das Drama um die US-Investmentbanken hat weltweit Schockwellen an den Börsen ausgelöst. Der DAX fiel am Montag auf den tiefsten Stand seit fast zwei Jahren und sackte kurzzeitig unter die Marke von 6.000 Punkten. Auch die Aktienmärkte in Frankreich und Großbritannien verzeichneten starke Verluste. In Asien reagierten die Börsen ebenfalls mit einem deutlichen Minus.

Der jüngste Höhepunkt der Finanzkrise zwang vor allem die Aktien der Banken und Versicherungen in die Knie. An der deutschen Börse fielen Commerzbank-Aktien, Deutsche Bank und Postbank jeweils um mehr als 6 Prozent. An den Börsen in Paris, London und Zürich waren ebenfalls besonders europäische Finanzdienstleiter von Kurseinbrüchen betroffen.

Wenig Auswirkungen auf Bundeshaushalt

Das Bundesfinanzministerium sieht derzeit keine akute Gefahr, dass sich die US-Bankenkrise auf das deutsche Wirtschaftswachstum und damit auf den deutschen Haushalt auswirkt. Die Finanzmarktkrise in Amerika habe "bisher erstaunlich wenig Auswirkungen" auf die Gesamtwirtschaft, sagte Ministeriums-Sprecher Torsten Albig. Aber natürlich könne diese Krise auch Auswirkungen auf das deutsche Wachstum und damit den deutschen Haushalt haben.

Nach bisherigen Erkenntnissen seien deutsche Finanzinstitute - im Gegensatz zu angelsächsischen Instuituten - in einem Umfang in die Krise verwickelt, der beherrschbar und verkraftbar sei. Über weitere Erkenntnisse werde, "sobald wir es können und wollen", informiert, sagte Albig.

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2 Kommentare

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  • MS
    Mark Schneider

    Nach Angaben von Lehman fallen die Broker-Sparten nicht unter das Gläubigerschutz-Verfahren nach Kapitel elf des US-Insolvenzrechts, zudem arbeiten diese Sparten weiter.

     

    Sehe ich das richtig ?

    Die zocken einfach weiter ? Wer zahlt denn, wenn noch Verluste hinzukommen ??

     

    eh sorry, aber die Freie Marktwirtschaft werde ich wohl nie verstehen.

  • M
    michaelbolz

    Vielleicht wird es langsam klar. Einfach genau hinsehen, das Hirn einschalten: Sozialdarwinismus - es kann in diesem chauvinistischen Biz eben nur einen geben, vielleicht auch zwei, oder drei. Und global läuft es nicht anders, so funktioniert das System in der Praxis. Das Absurde: die globale Homogenisierung hinterlässt am Schluss aus Sicht der Chauvis nur Sieger, Looser zählen nicht. Ich empfehle einfach einmal Kissinger zu lesen "Die Herausforderung Amerikas".