Finanzen: Altlast drückt auf den Haushalt
Gut 100 Millionen Euro muss Berlin in diesem Jahr für die Wasserstadt Oberhavel zahlen. Die Grünen fordern, dass das Land weiter hart spart und seine Schulden tilgt.
Das Land Berlin wird in diesem Jahr weniger Schulden zurückzahlen als geplant. Ursprünglich wollte der Senat gut 500 Millionen Euro mehr Geld einnehmen als ausgeben und mit diesem Überschuss einen Teil der Schulden Berlins zurückzahlen. Doch nach der aktuellen Prognose wird der Überschuss doch nur bei 410 Millionen Euro liegen, sagte Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) am Dienstag nach der wöchentlichen Sitzung des Senates.
Die Hauptursache dafür ist eine alte Last: In den Jahren nach der Wiedervereinigung ging der Senat von stark steigenden Bevölkerungszahlen aus. Für die hunderttausenden Neuberliner sollte attraktiver neuer Wohnraum entstehen, so etwa an der Havel in Spandau, in Biesdorf oder an der Rummelsburger Bucht. Mit großem Aufwand und öffentlicher Unterstützung entstanden dort große Wohngebiete - doch der Ansturm auf Berlin blieb aus.
Das Land und die Landesbank hatten Anfang der Neunzigerjahre die Grundstücksentwicklungsgesellschaft Wasserstadt Oberhavel (GEG) gegründet. Die GEG und der landeseigene Entwicklungsträger Wasserstadt konnten sich anschließend nicht einigen, wer die Verluste tragen muss. Der Streit zog sich über die Instanzen bis zum Bundesgerichtshof. Die laut Sarrazin "dämliche Prozessniederlage" bedeutet, dass das Land für die Altlast in diesem Jahr 112 Millionen Euro zahlen muss. Zum Vergleich: Für das Prestigeprojekt eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors für Langzeitarbeitslose hat der Senat in diesem Jahr 4,5 Millionen Euro zusätzlich in den Haushalt eingestellt. Die 112 Millionen Euro fließen hauptsächlich an die Landesbank Berlin, die inzwischen der Sparkassen-Gruppe gehört.
Der Überschuss in diesem Jahr stammt hauptsächlich aus einmaligen Vermögensverkäufen. Auch für die nächsten Jahre plant Sarrazin jedoch Überschüsse, mit denen der Schuldenberg von derzeit gut 60 Milliarden Stück für Stück abgetragen werden soll. Jochen Esser, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, kritisierte, diese mittelfristige Planung mit weiteren Überschüssen falle "im Falle eines Konjunktureinbruchs oder einer Steuerreform wie ein Kartenhaus in sich zusammen". Die Koalition habe "nicht mehr die Kraft, den Sparkurs durchzuhalten".
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