piwik no script img

Finaler Durchmarsch in Volkes Namen

■ Kritik am sächsischen Polizeigesetz hatte bei der gestrigen Landtagsdebatte keine Chance / Eine „Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe“ hat nun Gesetzeskraft

Dresden (taz) – Innenminister Heinz Eggert (CDU) verteidigte gestern den vom Datenschutzbeauftragten des Landes als „verfassungswidrig“ bewerteten Regierungsentwurf des neuen sächsischen Polizeigesetzes und berief sich dabei auf die vermeintlichen Sicherheitsinteressen der BürgerInnen. Diese hätten „mehr Angst vor der wachsenden Kriminalität als vor einer effektiven und in ihren Mitteln wirksamen Polizei“. Alle von der Opposition kritisierten Elemente des Gesetzes hätten bereits in Polizeigesetze anderer Bundesländer Eingang gefunden.

Der CDU-Minister warf der Opposition vor, „nicht bereit“ zu sein, „die vom Wähler gewollten Mehrheitsverhältnisse zu akzeptieren“. Auch CDU-Innenpolitiker Volker Bandmann ritt erwartungsgemäß flott auf der populistischen Welle: „Die stetige Zunahme der Organisierten Kriminalität zwingt zu diesem Gesetz.“

Bis zum Schluß umstritten und unverändert blieben die Paragraphen über die Ausweitung des Vorbeugegewahrsams von vier auf vierzehn Tage, zum finalen Todesschuß auf Befehl, zum unbestimmt geregelten Lauschangriff auf Wohnungen sowie die ins Ermessen der Polizisten gelegten Vorschriften zum Umgang mit Daten. Wie im Innenausschuß bereits durchexerziert, stimmte die Mehrheitsfraktion sämtliche Änderungsanträge zu diesen Vorschriften glatt nieder. Für Ludwig-Martin Rade (FDP), übrigens Sohn eines sächsischen Landgendarmen, war diese „nervige“ Prozedur „mehr als niederschmetternd“.

Vierzehn Tage Unterbindungsgewahrsam begründete Eggert ausgerechnet mit den „guten“ Erfahrungen beim Münchner Weltwirtschaftsgipfel. Dort hätte sich die „präventive Wirkung“ einer solchen Regel gezeigt. Offen blieb die Frage von Ralf Donner (Bündnis 90/Die Grünen), ob denn jemals gegen Rechtsextremisten die bisher möglichen vier Tage voll angewendet worden seien.

Christian Preißler (SPD) bemängelte die „Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe“ in dem Gesetzestext. Entgegen der von Experten aus den alten Bundesländern vorgehaltenen Bedenken kann in Sachsen nun der „finale Rettungsschuß“ bei Geiselnahmen „auf dem Dienstweg“ abgefeuert werden. Auch dann, wenn weder Geisel noch Polizist das wollen. Eggert begründete diese Regel mit „erhöhter Sicherheit für Beamte und Opfer“. In den Neufassungen zum Umgang mit Daten sieht der SPD-Rechtsexperte „voraussetzungslose Eingriffsbefugnisse in Grundrechte gegen jedermann“. Der „Einsatz besonderer Mittel zur Erhebung von Daten“ ist nicht an einen richterlichen Beschluß gebunden. Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und die Sozialdemokraten haben gegen das Polizeigesetz bereits Verfassungsklage angekündigt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen