■ Filmstarts á la carte: Phantasie vs. Bürokratie
Bombast wurde Michelangelo Antonioni bislang noch nie vorgeworfen – eher schon fand man seine Filme unverständlich oderlangweilig. Umso überraschender kam 1967 der kommerzielle Erfolg von „Blow Up“, der dem italienischen Regisseur für seinen nächsten Film bei der MGM „carte blanche“ bescherte. Also bereitete sich Antonioni in aller Ruhe jahrelang vor, ließ die Produktionsfirma über das geplante Werk vollkommen im Unklaren, überzog das Bufget um das Doppelte und ruinierte die in finanzielle Schwierigkeiten gekomemne MGM mit seinem „Zabriskie Point“ (1970) endgültig.
Wie in vielen seiner Filme erzählt Antonioni auch in „Zabriskie Point“ von Menschen, die sich in der modernen urbanen Welt nicht zurechtfinden und nach Ausbruchsmöglichkeiten suchen: Revolution, Drogen, Meditation und freie Liebe stehen zur Debatte – das ganze Repertoire dummer Dinge also, mit denen man sich in den späten sechziger Jahren bei Laune hielt.
Gleichermaßen ist „Zabriskie Point“ der interessierte Blick eines Europäers auf ein Amerika zwischen Vietnamkrieg und Polizistenwillkür und der schönen Scheinwelt der Leuchtreklamen und Werbefilme. Der häßlichen Urbanität versuchen sich Antonionis Hauptfiguren durch eine Reise auf's Land zu entziehen, wo sie auf die Mythen amerikanischer Kultur treffen. Aber auch die Wüste wird bereits von Grundstücksmaklern als Refugium für Superreiche verschachert. Indianer gibt es nur noch als Hausangestellte und der Boxweltmeister von 1920 erweist sich als greiser Säufer. Und während der Junge letztlich in die Stadt zurückkehrt und dort getötet wird, phantasiert das Mädchen von der Zerstörung der Zivilisation – die man sich hier als zu dudeliger Pink Floyd-Musik in Zeitlupe explodierenden Kühlschrank vorzustellen hat. Ein Zeitdokument.
18./19.9 im Babylon-Mitte
Als Terry Gilliam am Ende der achtziger Jahre seine Verfilmung der „Abenteuer des Baron Münchhausen“ der Presse vorstellte, hagelte es Verrisse. „Viel zu bombastisch und schwerfällig“, urteilten die Kritiker über die Produktion des ehemaligen Monty Python-Komikers, um im gleichen Atemzug eine Lobeshymne auf den alten UFA-Film mit Hans Albers zu singen – der, mit Verlaub gesagt, das Verdikt der Phantasieloisgkeit erheblich eher verdient hätte.
In der für ihn typischen Mischung aus Fantasy, Satire und kunstgeschichtlichen Zitaten (hier sind es die Münchhausen-Illutrationen von Gustave Doré) erzählt Gillam in „Die Abenteuer des Baron Münchhausen“ von seinem Lieblingsthema: dem Kampf der Phantasie gegen die Bürokratie. Angesiedelt gegen Ende des 18. Jahrhunderts – im „Zeitalter der Vernunft“, wie eine Schrifttafel ironisch vermerkt – nimmt die Geschichte ihren Ausgangspunkt im Theater, wo der „echte“ Baron wütend eine Aufführung seiner Abenteuer unterbricht, um seinerseits dem geneigten Publikum „die ganze Wahrheit“ zu vermitteln.
Während die Kamera den Guckkastenblick nunmehr zugunsten des filmischen Raumes aufgibt, erinnern die phantastischen Bauten von Dante Ferretti auch weiterhin an die Dekorationen des Musentempels, in den die Handlung folgerichtig am Ende zurückkehrt – nachdem die Lügengespinste des Barons und das Vertrauens eines kleinen Mädchens in seine Visionen über die grausige Realität eines Krieges gesiegt haben.
Lars Penning
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