piwik no script img

■ Filmstarts a la carteJapaner im Weltall

Japan gehört zweifellos zu den interessanteren Filmländern dieser Tage. Lange Jahre kannte man allenfalls die großen Klassiker der Filmkunst: Ozu, Kurosawa, Mizoguchi, deren Werke natürlich auch beim Festival des japanischen Films im Filmkunst 66 und Blow Up nicht fehlen dürfen. Doch spätestens seit dem Berlinale-Lacherfolg „Sakikos Schatz“ von Shinobu Yaguchis, einer Satire auf die Geldgeilheit unserer Welt, und den elegischen Gangsterfilmen „Sonatine und Hana-Bi“ von Takeshi Kitano mit ihren extremen und stilisierten Gewaltausbrüchen, weiß man, daß im Land der aufgehenden Sonne vielversprechende Könner nachgewachsen sind. Einen Vorläufer hat Kitano in Seijun Suzuki und seinen Gangsterballaden mit gesteigertem Trash-Faktor gefunden: „Tokyo Drifter“ erzählt von Männern mit großen Pistolen und coolen Sonnenbrillen, die in knallbunten Bars den alten Träumen von Freundschaft und Loyalität nachhängen und am Ende doch enttäuscht werden. Im krassen Gegensatz dazu Koki Mitanis schrille Farce „Radio no jikan“ (Welcome Back, Mr. McDonald): : Weil eine Sprecherin kurz vor der Live- Sendung eines melodramatischen Hörspiels verlangt, ihren Rollennamen in Mary-Jane zu ändern, kommt es im Studio zu Eifersuchtsszenen, Nervenzusammenbrüchen und hektischen Krisensitungen in jeder Werbepause. Doch das mittlerweile völlig geänderte Stück endet gut: Auch der längst im All verschollen geglaubte Pilot Mr. McDonald kehrt noch einmal zurück. Die Autorin des mit viel Herzblut geschriebenen ursprünglichen Liebesdramas allerdings nicht.

Festival des japanischen Films bis zum 9.6. im Filmkunst 66 und im Blow Up

Wer ist normal und wer sind die eigentlichen Freaks? Dieser Frage gehen zwei Filme nach, die das Blow Up in der kommenden Woche zeigt. David Lynchs „Der Elefantenmensch“ erzählt die wahre Geschichte des durch eine Krankheit verunstalteten John Merrick (John Hurt), der als Attraktion einer „Freak-Show“ mißbraucht wird. Erst ein Arzt (Anthony Hopkins) vermag ihn aus diesen menschenunwürdigen Umständen zu befreien. Daß der intelligente Merrick anschließend jedoch zum Darling der Society im viktorianischen England (dessen Atmosphäre die harsche Schwarzweißfotografie von Freddie Francis meisterhaft einfängt) mutiert, erscheint mindestens ebenso zweifelhaft. „Freaks“ von Tod Browning, der lange Jahre selbst in Vaudeville- und Zirkusshows aufgetreten war, schlägt in die gleiche Kerbe: In dem bizarren Melodram erweisen sich die seltsamen Zirkusattraktionen – von den Pinheads über die Frau mit Bart bis zu den Liliputanern – als die ganz normalen Leute, während die schöne Trapezkünstlerin und der Muskelmann, die einen kleinwüchsigen Kollegen um Geld und Leben bringen wollen, als die eigentlichen Monster dastehen.

„Der Elefantenmensch“ 20.5.- 26.5.; „Freaks“ (OF) 26.5. im Blow Up 2

Im Stummfilm einen Bauchredner als Helden auftreten zu lassen, gehört sicher zu den bizarreren Ideen. Um ebensolche nie verlegen waren der besagte Tod Browning und sein Star Lon Chaney: In „The Unholy Three“ (1925) geht Chaney gemeinsam mit einem Liliputaner und einem Muskelmann auf Diebeszüge aus. Doch dann machen sich seine Kumpane selbstständig und etwas läuft schief...

„The Unholy Three“ 23.5. im Filmkunsthaus Babylon

Lars Penning

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen