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■ Filmstarts à la carteGeld und Sex

Nach seinem großen Publikumserfolgn „Psycho“ und „Die Vögel“ hatte man von Alfred Hitchcock wohl einfach etwas Spektakuläreres erwartet: Als „Marnie“ – ein düsteres Psychodrama um eine frigide Kleptomanin, deren durch ein schreckliches Erlebnis in ihrer Kindheit begründete Probleme durch Psychoanalyse behoben werden – 1964 in die Kinos kam, fiel der Film erst einmal durch.

Doch mag „Marnie“ auch spröder daherkommen als die zuvor genannten Werke – im Grunde handelt Hitchcock die gleichen Themen ab: den zum Scheitern verurteilten Versuch, Liebe zu erkaufen etwa, oder aber neurotische Familienbeziehungen und die daraus resultierenden Ängste und Macken. Immer wieder seziert Hitchcock das Verhältnis von Geld, Sex und Zuneigung: So wie Marnie die Liebe ihrer Mutter mit teuren Geschenken erwerben will, versucht auch ihr Arbeitgeber Mark Rutland (Sean Connery) Marnies Zuneigung zu erpressen, indem er den von ihr angerichteten Schaden (sie hatte die Firma bestohlen) ersetzt.

Er zwingt sie zur Heirat – und vergewaltigt sie gar, um sie von ihrer Frigidität zu „heilen“. Die Täterin wird zum Opfer perverser Männerphantasien.

Daß Hitchcock – traut man seinem Biografen Donald Spoto – der Hauptdarstellerin „Tippi“ Hedren im „richtigen“ Leben äußerst aufdringlich nachgestellt haben soll, entbehrt dabei nicht einer gewissen traurigen Pikanterie. Angesichts ihrer Ablehnung soll der Regisseur das Interesse an der Fertigstellung des Films dann völlig verloren haben. So erklärt zumindest Spoto die seltsame Künstlichkeit „Marnies“, wie sie sich etwa in den lausigen Rückprojektionen oder der entsetzlich gemalten Hafenkulisse hinter dem Haus der Mutter widerspiegelt.

Durchweg gelungen dagegen die Farbdramaturgie des Films: Der Gefühlskälte Marnies entsprechend, schuf Kameramann Robert Burks eine farbarme, stahlgraue Welt, in die das Rot ihrer Alpträume dann umso heftiger hereinbricht.

Ein in der Malerei des ausgehenden Mittelalters beliebtes Motiv war der Totentanz. Angeführt vom Sensenmann verbinden sich die Vertreter der geistlichen und weltlichen Stände – vom Papst bis zum Pfarrer und vom Kaiser bis zum Narren – in einem Reigen und treten den Weg ins Jenseits an. In einer Epoche verheerender Seuchen ermahnte der Totentanz die Vertreter der Obrigkeit zur Demut und bot den einfachen Leuten ob der Gewißheit, daß wenigstens vor dem Tod alle gleich sind, zumindest einen geringen Trost.

In Det Sjunde Inseglet“ nimmt Ingmar Bergman in einer der berühmtesten Einstellungen seines Werkes das Motiv des Totentanzes auf: der in seinem Streben nach Gewißheit für die Existenz Gottes immer wieder enttäuschte Ritter, sein atheistischer und zynischer Knappe, der sich gleichwohl als wahrer Humanist entpuppt, die Asketen und die Lebenslustigen – sie alle müssen am Ende im Gegenlicht auf einer Düne hinter dem Tod hertanzen. In einer Welt voller Hoffnungslosigkeit und Gewalt bleibt die Frage nach dem Sinn des Lebens unbeantwortet.Lars Penning

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