■ Filmstarts à la carte: Märchen mit Haifischzähnen
Dem Heimatklänge-Festival hat das Sputnik-Kino eine Filmreihe beigesteuert, die ab 24. August einen kleinen Exkurs in den levantischen Filmraum gewähren möchte. Niemanden wird überraschen, daß Rembetiko wieder dabei ist, die Folklore-Party für Amateur-Griechen, wie sie in Berlin ja nicht eben rar sind. Davon abgesehen ist heute abend Emir Kusturicas Film Time of the Gypsies zu sehen, ein Märchen mit Haifischzähnen, das von einem Zigeunerjungen erzählt, der nach Italien verschleppt wird und dort selbst zum Kleingangster aufsteigt. Dreckige Windschutzscheiben mit müden grauen Kindergesichtern dahinter, Feuerschein auf dem Wasser, Goldzähne und Manschettenknöpfe und Messer sind das Inventar dieses zunächst nach Ethnologie riechenden, später zwischen Garcia- Marquez-Zauber und -Fluch oszillierenden Films.
Außerdem werden Cup Final, eine Harlekinade zur WM 1990 vor dem Hintergrund der zwei Jahre alten Intifada, und zwei arabische Filme über junge Männer im Maghreb zu sehen sein.
Der womöglich erste türkische Road-Movie verspricht Mercedes, mon amour zu sein, welches im Titel bereits Anleihen an gewisse Menschheitskatastrophen mit dem deutschen Auto verbindet. Das Drehbuch schrieb der türkische Autor Yilmaz Güney im Gefängnis, wo er als Politischer lange einsaß. Der Film soll die Odyssee eines Münchener Mannes namens Bayram durch die ländliche Türkei beschreiben. Ich habe den Film, offen gestanden, noch nicht gesehen, finde aber, daß die Sache sich recht interessant anhört, und wenn ich nicht nicht in Berlin wäre, dann täte ich ihn mir nicht nicht ansehen. Aber wen interessiert das schon.
Das Problem mit Auf Wiedersehen Amerika, Jan Schüttes Geschichte zweier jüdischer Remigranten, ist, daß die Motive des Regisseurs irgendwie seltsam anmuten. Was genau interessiert einen deutschen Mitdreißiger eigentlich daran, zwei wandernde Jiddn darzustellen, an denen immer hervorgehoben wird, daß sie solche Stehaufmännchen sind? Daß sie trotzdem lachen? Daß sie so heimatlos sind? Woher kommt überhaupt dies allgemeine Interesse an den untergegangenen jüdischen Lebenswelten im Osten, dem Jiddischland, seiner Folklore und seinen Klezmatics? Man wird das Gefühl nicht los, daß sich da ein – denkbar verständlicher – Wunsch nach Entlastung breitmacht. Der Hauch von Melancholie, der über dem Ganzen liegt, macht die Sache sogar fast peinlich: latent, sanft ist auf diese Art eben doch an den Verlust erinnert, dem mit Melancholie zu begegnen eben eine Nummer zu klein ist.
Die beiden ziehen von Coney Island nach irgendwohin in Polen und müssen unterwegs in Berlin Station machen, wo sie, Kirsche auf der Sahnetorte, auch noch auf George Tabori in Gestalt eines zwischen verhängten Möbeln lebenden Qual-Berliners treffen. Zu den zwei als Luftmenschn angelegten Männern gehört unweigerlich eine katholische Mame, die eine giftgrüne Tasche mit sich herumträgt, ihren Mann um zwei Köpfe und mehrere Bauchlängen überragt und die finanziellen Dinge im Auge behält.
Nein, kein Film, auf den man mit Kanonen schießen sollte; aber doch einer fürs falsche Herz.
Ebenfalls nicht gesehen habe ich A Good Man in Africa, der immerhin mit Sean Connery als gestrengem schottischen Arzt aufwarten kann, der in einem sich zur Demokratie freistrampelnden südafrikanischen Land den jungen Helden wider Willen, Morgan Leafy (Colinj Friels), versehentlich einen Tripper bescheinigt, und ihn dadurch aber im Grunde die entscheidende education sehr sentimentale verpaßt. Vielleicht ist es ganz ulkig, man weiß es nicht. mn
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